Amtliche Helden: Ein Spiel der BA verschleiert Realitรคten und verachtet Erwerbslose
Mit Erstaunen schaut man derzeit auf die Seiten der Bundesagentur fรผr Arbeit. Im Bereich “Kariere bei der BA” findet sich ein Spiel mit dem Titel: “Amtliche Helden”. Bรผrokratie und Verachtung haben dem Steuerzahler mehr als 100.000 EUR gekostet. Was soll das eigentlich?
Die Quote ist alles
Ein kostenloses Spiel fรผr iOS- und Android Smartphones soll offenbar die Arbeit von Arbeitsagentur-Mitarbeitern vermitteln und neue – vor allem junge – Mitarbeiter rekrutieren. In dem Spiel, das รคhnlich wie andere Simulationsspiele aufgebaut ist, sollen Spieler, die in die Rolle des neuen Geschรคftsfรผhrers der รถrtlichen Arbeitsagentur schlรผpfen, die Arbeitslosenquote senken. Die liegt zu Beginn bei sagenhaften 60 Prozent. Konzipiert und erstellt wurde das Spiel vom deutschen Studio Mad About Pandas, im Auftrag der Bundesagentur fรผr Arbeit.

Wer das Spiel spielt, wird unfreiwillig in die zynische und diskriminierende Welt der Arbeitsagenturen “entfรผhrt”. So werden dann auch mal Hartz IV Bezieher, die als Kunden dargestellt werden, mit Spitznamen wie “Ole โImmer Ohne Arbeitโ Maiskopf”, bezeichnet. Das kรถnnte die BILD-Zeitung nicht besser.
Nach Gefรผhl in Arbeit vermitteln
Zu Beginn setzt sich der Spieler an den Empfang der Arbeitsagentur und stellt den ersten Sachbearbeiter ein. Da das Anfangsbudget nur fรผr Quereinsteiger ausreicht, wird ein Mitarbeiter ohne Vorerfahrung eingestellt. Nun kann dieser ohne jegliche Kenntnisse auf den ersten Arbeitssuchenden losgelassen werden. Das Spiel rรคt sich auf Intuition zu verlassen. Das bedeutet, der “Kunde”, wie es neudeutsch im Jobcenterslang heiรt, wird “blind” vermittelt.
Man sieht daher als User nicht, welche Fรคhigkeiten der Arbeitssuchende hat. Um so besser man den “Kunden” vermittelt, um so mehr Punkte und Prรคmien erhรคlt man als Spieler. Bei so viel Willkรผr kann der “Kunde” nur ein Smiley zeigen.
Erwerbslose werden eindimensional dargestellt
Spiele erzรคhlen immer eine Geschichte, die auch die Realitรคten wiederspiegeln. Es werden Zusammenhรคnge erklรคrt und Menschenbilder vermittelt. Bei “Amtliche Helden” ist der Kunde der Einsatz. Wie in der Wirklichkeit soll die Arbeitslosenquote mรถglichst weit nach unten gedrรผckt werden. Dass es sich dabei aber um Menschen handelt, die auch eigenstรคndige Bedรผrfnisse und Ziele haben, vergisst man im Spielverlauf einfach. Denn die sind nicht von Interesse.
Erwerbslose werden in dem Spiel eindimensional dargestellt. Sie sind lediglich eine unterschiedliche Ansammlung von Fรคllen, die man abfrรผhstรผcken muss. Sie sind lediglich Nummern, die schnellstmรถglich aus der Statistik entfernt werden mรผssen.
Bittere Realitรคten werden ausgeblendet
Das Spiel suggeriert, es gรคbe keine Sanktionen und Drangsalierungen. Es blendet zum Beispiel aus, dass beidseitig eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen werden muss. In dieser werden die Rechte und Pfichten formuliert und die Eingliederungsbemรผhungen der Behรถrde verankert. Wird dieser Vertrag von Seiten des Arbeitssuchenden nicht erfรผllt, drohen Sanktionen. Es kรถnnen sogar Vollsanktionen folgen, wenn die Behรถrde der Auffassung ist, dass mehrere “Vergehen” in zeitlicher Abfolge geschehen sind. Dann muss der Betroffene gรคnzlich ohne Sozialleistungen auskommen.
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Auch ausgeblendet wird, dass viele Hartz IV Beziehende in die Leiharbeit vermittelt werden. Hierdurch entsteht ein sogenannter “Drehtรผr-Effekt”. Nach einigen Monaten Arbeit in prkรคrer Beschรคftigung mรผssen sich die Betroffenen wieder Arbeitslos melden und oftmals, da die Beschรคftigungsdauer zu kurz war, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 zu erwirken, einen Hartz IV-Antrag stellen. “Amtliche Helden” blendet diese kritischen Zusammenhรคnge einfach aus. Stattdessen sind die Kunden fremdbestimmt und entindividualisiert.
Zynische Elemente: Kein Kaffee fรผr Erwerbslose
Das Spiel bietet die Mรถglichkeit, die Arbeitsagentur auszustaffieren. So nutzt es dem Mitarbeitern, wenn sie kostenlos Kaffee zur Verfรผgung gestellt bekommen. Sie werden effizienter. Keinen Nutzen hat es, wenn auch die wartenden Arbeitslosen Kaffee bekommen. Stattdessen soll man kostenloses W-Lan in den Warterรคumen anbieten. Das nutze nicht nur der Jobsuche wรคhrend der Wartezeit, sondern helfe auch, dass die Wartenden bereitwillig stehen, wenn keine Sitzplรคtze mehr frei sind.
รberaus zynisch ist auch dieser Aspekt. Wer seine Jobvermittler im Umgang mit Suchtkranken und Gewaltopfern schult, hat weniger Hilfsangebote im Sinn, sondern die Vermittlerquote. Also statt Hilfe, gehts nur um Quotenerfรผllung.
Im Verlauf des Spiels trifft man auch auf “schwierige” Fรคlle. Ein Hartz IV Bezieher wird hier als “Ole โImmer Ohne Arbeitโ Maiskopf” betittelt. Das dรผrfte tatsรคhlich der Realitรคt entspringen, wenn in den Behรถrden Witze รผber Erwerbslose gemacht und ihnen diffamierende Spitznamen gegeben werden. Aber eigentlich dรผrfte Ole รผberhaupt nicht in dem Spiel vorkommen. Denn wer “langzeitarbeitslos” ist, wird vom Jobcenter betreut.
Fazit: Das Spiel soll junge Menschen dazu animieren, Sachbearbeiter in einem bรผrokratischem Monstrum zu werden. Im Verlauf des Spiels geht es nicht um die Hilfe am Menschen, sondern lediglich um die Quote, die zu erfรผllen ist. Die “Kunden” kรถnnen nicht รคuรern, wenn sie falsch behandelt wurden. Einzig ein unzufriedener Smiley zeigt, wenn etwas falsch lief. Das ist dann auch schon alles. Dass aber die Mitarbeiter in Arbeitsagenturen und Jobcentern รผber Glรผck und Unglรผck, Zukunft oder Armut entscheiden, wird nicht deutlich. Daher fรคllt unsere Bewertung so einfach aber auch schlecht aus: “Game over”.