Gericht stoppt Zwangsarbeit für Arbeitslose

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Tschechisches Verfassungsgericht untersagt Zwangsarbeit für Arbeitslose

30.11.2012

Deutschland gilt in vielen europäischen Ländern in Sachen Hartz IV und Agenda 2010 als sogenanntes Vorzeigeland. Die konservative Regierung in Tschechien tat eben jenes und führte per Gesetzeshandstreich zum Beispiel einen „Arbeitszwangsdienst für Arbeitslose“ ein.

Weil aber das Kabinett um Premier Petr Nečas aufgrund einer satten Parlamentsmehrheit insgesamt 14 tiefgreifende Gesetze durch peitschte und der Opposition bestehend aus Sozialdemokraten und Kommunisten nicht die Möglichkeit einräumte, parlamentarisch Änderungsvorschläge zu unterbreiten, klagten diese vor dem Bundesverfassungsgericht in Brno. Am vergangenen Dienstag fällte das oberste Gericht in Tschechien nun sein Urteil.

Zwar wurden der Position der sozialdemokratischen Partei nur zum Teil entsprochen, aber die tschechischen Bundesrichter sahen es als erwiesen an, dass der Arbeitsdienst für Arbeitslose gegen die Verfassung der Tschechischen Republik verstößt. So erklärte der Vorsitzende des Gerichts, Pavel Rychetský: „Es geht darum, dass mit diesem Dienst das Recht auf die Menschenwürde gefährdet wird. Der öffentliche Arbeitsdienst für Arbeitslose wird nämlich so durchgeführt, dass die betreffende Person bei der Arbeit eine Weste zu tragen hat und beaufsichtigt wird. Auf die gleiche Weise wird aber auch die Strafarbeit von Gefangenen vollzogen.“

Nicht nur deshalb aber auch darum hatten viele Erwerbslose den öffentlichen Arbeitsdienst verweigert. Genauso wie in Deutschland wurde den Betroffenen der Anspruch auf das Arbeitslosengeld vollends gestrichen, wenn sich Betroffene weigerten. Diese Art von Hartz IV Sanktion auf tschechisch wurde nun von Seiten des Gerichts als verfassungswidrig eingestuft. Damit ist es von nun an den Behörden untersagt, Sanktionen auszusprechen, wenn Erwerbslose den Arbeitsdienst nicht antreten.

Die tschechische Regierung nahm unterdessen das Urteil betont gelassen auf. Man meine, dass die „Reformgesetze weiterhin Bestand haben werden“. Im Sozialbereich wolle man nun „ein paar Änderungen vollziehen“.

Auch in Deutschland gibt es den Zwangsarbeitsdienst. Wer zum Beispiel einen sogenannten „Ein-Euro-Job“ ohne ausreichende Begründung nicht antritt, wird mit Leistungskürzungen bestraft. Bei wiederholten „Pflichtverletzungen“ kann auch der komplette Regelsatz gestrichen. Im letzten Jahr wurden über 100.000 Totalsanktionen gegen Hartz IV-Bezieher ausgesprochen.Erwerbslosen-Initiativen, Die Linke und neuerdings auch die Grünen fordern die Abschaffung der Sanktionen. Zudem bestünden klar erkennbare verfassungsrechtliche Bedenken. In diesem Fall können die deutschen Verfassungsrichter sicher noch einiges von ihren tschechischen Kollegen lernen. (sb)

Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

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