Gehälter niedriger als Hartz IV

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Die Löhne sind teilweise niedriger als bei Hartz IV

Während im portugiesischen Azambuja heute die 1100 ArbeiterInnen der dortigen General-Motors-Fabrik in allen drei Schichten gegen die drohende Werksschließung streiken wollen, droht dem Konzern bei Opel in Bochum aus anderen Gründen eine Produktionsunterbrechung. Die Beschäftigten der Logistik-Firma ESI wollen ihre Hungerlöhne nicht länger hinnehmen und befinden sich seit heute morgen um 6 Uhr im Streik. Da die Fließbänder bei Opel just-in-time von dieser Firma mit Scheiben und Kleinteilen beliefert werden, könnte sich der Streik schon bald auf die Autoproduktion auswirken.

ESI steht für Edelhoff & Schollmayer Industrie-Service. Die Firma beschäftigt etwa 300 ArbeiterInnen, die an drei Standorten in Bochum für Opel Teile verpacken. Neben dem Hauptsitz in der Bessemer Str. 80 am Rande des Zentrums von Bochum, wird an zwei weiteren Standorten, die sich auf den Geländen der Opel-Werke I und II befinden vorsortiert. Denn dort werden die Teile "sequentiert", das heißt in genau der Zusammenstellung und Reihenfolge verpackt, wie sie später am Band gebraucht werden und mit einem zeitlichen Puffer von nur wenigen Stunden angeliefert. Die moderne Logistik besteht längst nicht mehr aus einfacher Lagerhaltung und Anlieferung, sondern ist eng mit den Produktionsabläufen verzahnt und übernimmt Teile der eigentlichen Produktion. Halbprodukte werden gekauft, gelagert und dann für den Einsatz in der Produktion aufbereitet. Seit den 80er Jahren haben die Autokonzerne große Teile der Lagerhaltung und Vorarbeiten ausgelagert, um durch die geringeren Löhne und schlechteren Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben Kosten zu sparen. Derselbe Kostendruck hat diese Betriebe aber nun wieder so eng in die Produktionsketten der Automultis eingebunden, dass den dort Beschäftigten dämmert, über welche Macht sie verfügen. Bei ESI will die Gewerkschaft ver.di diese Macht antesten, um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

ESI ist heute nicht mehr Edelhoff & Schollmayer, nur die Abkürzung ist geblieben – und das alte Firmenschild an der Bessemer Straße. In den letzten eineinhalb Jahren hat die Firma dreimal den Besitzer gewechselt. Heute gehört sie zum Remondis/Rhenus-Konzern, der selbst erst vor kurzem von der RWE-Umwelt AG abgestoßen wurde. Seit sieben Monaten versucht ver.di erfolglos, über die Anerkennung des Tarifvertrags Großhandel NRW zu verhandeln. Bisher kam immer ein Besitzerwechsel dazwischen und die neue Geschäftsleitung hat nun klipp und klar erklärt, dass sie mit der Gewerkschaft nicht reden werde. Wie ver.di-Verhandlungsführer Helmut Süllwold berichtete, weigerte sich der Geschäftsführer Herr Schorb sogar, ihm die Hand zu geben. Ab dem 7. Juni führte die Gewerkschaft daraufhin eine Urabstimmung durch, bei der sich bis zum 11.6. weit über 90 Prozent der Abstimmenden für Streik aussprachen.

Seitdem die Logistik 1999 von ESI übernommen wurde, hat es nie einen Tarifvertrag gegeben. Einige der Streikenden, die sich gegen 6 Uhr an der Bessemer Straße versammelt haben, berichten, dass es seit sieben Jahren keine Lohnerhöhung gegeben hat – außer vielleicht ein paar Nasenprämien für einzelne. Die Löhne liegen nach Gewerkschaftsangaben bei 7,00 bis 7,50 Euro die Stunde. Ein streikender Staplerfahrer meint, dass er ca. 1.400 Euro brutto (!) im Monat herausbekommt – und damit gehört er schon zu den Besserverdienenden in dieser Firma. Gearbeitet wird in zwei Schichten, manchmal auch am Wochenende – alles ohne Zuschläge. Und wer mehr als drei Krankheitstage im Jahr hat, bekommt statt 30 nur 25 Urlaubstage. Einige ständen angesichts dieser Bedingungen mit Hartz IV wohl besser.

Ergänzung zur der wir nach dem Presserecht verpflichtet sind: REMONDIS ist zwar ein Tochterunternehmen von RHENUS (Holding), hat aber mit der ESI GmbH nichts zu tun und ist nicht an der ESI beteiligt. gez. Katja Dartsch, REMONDIS AG & Co. KG)

Und was meint Verdie. Bei ESI ging nur noch wenig

Pünktlich zu Beginn der heutigen Frühschicht forderte die Gewerkschaft ver.di die Beschäftigten beim Opel-Zulieferer ESI-GmbH zum Streik auf. Zur Arbeitsniederlegung aufgerufen waren zunächst nur die Beschäftigten auf der Bessemerstr.
Bei auf zwei Ausnahmen befolgten alle Gewerkschaftsmitglieder, die an diesem Tag hätten arbeiten müssen, den Aufruf ihrer Gewerkschaft.

Helmut Süllwold, Streikleiter bei diesem Arbeitskampf, erklärte dazu, dass bei weiterem Blockieren von Verhandlungen (die ESI-Führung will nicht mit ver.di reden) eine Eskalation nicht ausgeschlossen ist.
Die Streikversammlung, die im ver.di-Gewerkschaftshaus, an der Universitätsstraße stattfand, stellte nach kurzer Besprechung einstimmig fest, dass die Bereitschaft für den Streik sehr groß ist und forderte ver.di auf, auch für den Folgetag (Mittwoch) zur Arbeitsniederlegung aufzurufen.
Die ver.di-Tarifkommission für die ESI GmbH beschloss darauf hin den befristeten Streik auch auf Mittwoch auszudehnen.
Die Beschäftigten beklagten, dass der Arbeitgeber sehr ausfällig mit der Situation umgeht. Vertreter des Unternehmens übersähen die Streikenden mit Fehlinformationen und Lügen. Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust wird genutzt, um Streikende umzustimmen. So wird zum Beispiel gesagt, dass alle Beschäftigten die Kündigung bekämen. Das ganze Familien in Angst und Schrecken versetzt werden, ist wohl egal.

Eher lächerlich, aber es führte zu großem Unmut bei betroffenen Streikenden, war, als der Betriebsleiter im Vorbeifahren den "Stinkefinger" zeigte. Das berichteten Streikende. Süllwold:" Das ist wohl die hilflose Reaktion eines Arbeitgebervertreters, der erkennt, dass es Menschen gibt, die ihre verfassungsrechtlichen Ansprüche wahrnehmen. Der hätte wohl lieber, dass es kein Streikrecht gäbe."

"Was muss sich eine demokratisch gesinnte Belegschaft, die nur ihre grundrechtlichen Ansprüche praktiziert, eigentlich bieten lassen, oder hört vor den Toren von REMONDIS / RHENUS – Tochter ESI-GmbH die Geltung des Grundgesetzes auf " (?), fragt sich der Gewerkschaftssekretär.

Nach der einstimmigen Beschlussfassung der Streikversammlung und der Tarifkommission, hat ver.di für morgen zur nächsten Streikversammlung eingeladen und ruft erneut zum befristeten Arbeitskampf auf. Der Streikaufruf gilt laut Süllwold wieder für den selben Beschäftigtenkreis wie heute.

"Sollte weiterhin seitens der ESI-Geschäftsleitung kein Signal zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag erfolgen, wird eine Ausweitung des Arbeitskampfes nicht zu verhindern sein", erklärte Streikleiter Süllwold der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft.

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