Gefährdete EM-Rente: Welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen

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Die gesetzlichen Regelungen zur Rente aufgrund voller Erwerbsminderung (EM-Rente) sind klar definiert und lassen wenig Spielraum für individuelle Interpretationen. Die wichtigsten Fragen beziehen sich häufig darauf, in welchem Umfang ein Rentenempfänger tätig sein darf, ohne seinen Rentenanspruch zu gefährden.

Rechtliche Grundlagen: Wann besteht Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente?

Gemäß § 43 Absatz 2 des SGB VI besteht ein Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente nur dann, wenn die versicherte Person aufgrund einer Krankheit oder Behinderung dauerhaft nicht in der Lage ist, mindestens drei Stunden pro Tag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Die Voraussetzung ist ein sogenanntes Restleistungsvermögen, das unterhalb von drei Stunden pro Tag liegt.

Sobald die tägliche Arbeitszeit in einer fünftägigen Arbeitswoche betrachtet drei Stunden oder mehr beträgt, entfällt der Anspruch auf die volle Erwerbsminderungsrente. Der Gesetzgeber hat diese Grenze eindeutig formuliert, sodass Interpretationsspielräume ausgeschlossen sind.

Eine tägliche Arbeitszeit von exakt drei Stunden gilt somit bereits als Indiz dafür, dass keine volle Erwerbsminderung mehr vorliegt.

Praktische Konsequenzen für die Arbeitszeitgestaltung

Arbeitnehmer, die eine volle Erwerbsminderungsrente beziehen, sollten sicherstellen, dass ihre tägliche Arbeitszeit unterhalb von drei Stunden bleibt.

Diese Grenze gilt nicht nur für den Arbeitsvertrag, sondern auch für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, die in einem Arbeitszeitkonto dokumentiert werden muss. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen also gemeinsam darauf achten, dass die vereinbarten und tatsächlichen Arbeitszeiten übereinstimmen, um rechtliche Probleme zu vermeiden.

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Neue Hinzuverdienstregelungen ab 2023

Das Jahr 2023 brachte Änderungen bei den Hinzuverdienstregelungen. Die frühere Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro pro Jahr für voll erwerbsgeminderte Rentner wurde aufgehoben. Seit dem 1. Januar 2023 galten neue, höhere Freibeträge:

  • Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung: 35.647,50 Euro
  • Rente wegen voller Erwerbsminderung: 17.823,75 Euro

Ab dem 1. Januar 2024 wurden die Freibeträge erneut angehoben:

  • Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung: 37.117,50 Euro
  • Rente wegen voller Erwerbsminderung: 18.558,75 Euro

Wie hoch die Bezugsgröße 2025 ausfällt, ist bis jetzt nicht endgültig entschieden. Wie aus einem Referentenentwurf des Arbeits- und Sozialministeriums hervorgeht, soll diese in etwa folgende Werte haben:

  • Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung: 39.322,50 Euro
  • Rente wegen voller Erwerbsminderung: 19.661,25 Euro

Anrechnung des Hinzuverdienstes

Verdienste, die über diese Freibeträge hinausgehen, werden zu 40 % auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet. Ein Beispiel verdeutlicht diese Regelung:

Ein voll erwerbsgeminderter Rentner erhält eine monatliche Rente von 1.400 Euro und erzielt ein Jahreseinkommen von 21.000 Euro.

Der anrechenbare Betrag wird wie folgt berechnet:

21.000 Euro (Jahreseinkommen) 18.558,75 Euro (Freibetrag) = 2.441,25 Euro
40 % von 1.441,25 Euro = 976,50 Euro
576,50 Euro / 12 Monate = 81,37 Euro

Die monatliche Rente wird somit um 81,37 Euro gekürzt, und der Rentner erhält 1.318,63 Euro Rente pro Monat. Diese Regelung bietet mehr Flexibilität als die frühere 100-prozentige Anrechnung des übersteigenden Einkommens.

Sonderregelungen im Rahmen der Arbeitserprobung

Seit dem 1. Januar 2024 gibt es eine wichtige Ausnahme: Die Arbeitserprobung. Sie bietet Personen, die eine volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente beziehen, die Möglichkeit, ihre Arbeitsfähigkeit unter bestimmten Bedingungen zu testen.

Im Rahmen dieser Erprobung ist es erlaubt, für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten mehr als die üblichen drei Stunden pro Tag zu arbeiten.

Ziel und Ablauf der Arbeitserprobung

Das Ziel der Arbeitserprobung besteht darin, herauszufinden, ob die betroffene Person in der Lage ist, mehr als das festgestellte Restleistungsvermögen zu leisten. Der Zeitraum von sechs Monaten kann im Einzelfall verkürzt oder verlängert werden, wobei die genaue Dauer von der individuellen Situation abhängt.

Während der Erprobungsphase bleibt der Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente bestehen, auch wenn die tägliche Arbeitszeit vorübergehend drei Stunden oder mehr beträgt.

Schutz vor Rentenverlust während der Erprobungsphase

Ein wichtiger rechtlicher Schutzmechanismus gewährleistet, dass die Rentenversicherung die Ergebnisse der Arbeitserprobung nicht gegen den Rentenempfänger verwenden darf.

Die Versicherung darf also nicht allein aufgrund der erhöhten Arbeitszeit während der Erprobungsphase entscheiden, dass die Person dauerhaft mehr arbeiten könnte und somit die Rentenansprüche entfallen. Diese Regelung soll Rentenempfängern die notwendige Sicherheit geben, ihre Leistungsfähigkeit ohne rechtliche Konsequenzen zu testen.

Bedeutung des Restleistungsvermögens

Das Restleistungsvermögen beschreibt die zeitliche und inhaltliche Arbeitsfähigkeit einer Person, die unter einer Krankheit oder Behinderung leidet. Für die Feststellung der vollen Erwerbsminderung wird dieses Vermögen medizinisch und arbeitsrechtlich bewertet.

Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die Grenze bei drei Stunden festzulegen, um eine klare Trennlinie zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderung zu ziehen. Dadurch wird verhindert, dass Grauzonen entstehen, die zu rechtlichen Unsicherheiten führen könnten.

Empfehlungen für Erwerbsminderungsrentner

Um den Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente nicht zu gefährden, sollten Betroffene folgende Punkte beachten:

  1. Arbeitszeit genau dokumentieren: Die tägliche Arbeitszeit sollte genau erfasst und dokumentiert werden. Arbeitszeitkonten müssen korrekt geführt sein, um Unstimmigkeiten zu vermeiden.
  2. Arbeitsvertrag sorgfältig prüfen: Der Arbeitsvertrag sollte explizit regeln, dass die Arbeitszeit unter drei Stunden pro Tag liegt. Pauschale Formulierungen wie “bis zu drei Stunden” könnten problematisch sein.
  3. Regelungen zur Arbeitserprobung beachten: Bei einer geplanten Arbeitserprobung sollten Rentenempfänger sicherstellen, dass der Zeitraum und der Zweck der Erprobung mit der Rentenversicherung abgestimmt sind.
  4. Hinzuverdienstgrenzen einhalten: Zusätzliches Einkommen sollte innerhalb der festgelegten Freibeträge bleiben, um künftige Kürzungen der Rente zu vermeiden.
  5. Beratung einholen: Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Fachanwälte oder Beratungsstellen können helfen, die individuellen Voraussetzungen und Möglichkeiten zu klären.