Eingliederungshilfe: BSG bestätigt Kostenübernahme einer Begleitperson während einer Urlaubsreise

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Siebentägige Nordseereise auf einem Kreuzfahrtschiff als behinderungsbedingte Mehrkosten einer Urlaubsreise.

Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft umfassen im Rahmen selbstbestimmter Freizeitgestaltung auch die notwendigen behinderungsbedingten Mehrkosten für eine angemessene Urlaubsreise ( BSG, Urt. v. 19.05.2022 – B 8 SO 13/20 R – ).

Behinderungsbedingte Mehrkosten einer Urlaubsreise sind als soziale Teilhabeleistung vom Sozialhilfeträger zu erstatten.

Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft

Die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfassen auch Leistungen, denen als Teilhabeziel das Bedürfnis nach Freizeit und Freizeitgestaltung zu Grunde liegt.

Das vom behinderten Antragsteller geltend gemachte Bedürfnis nach Urlaub und Erholung bei einer Kreuzfahrt fällt unter den Begriff der Freizeitgestaltung und ist damit im Grundsatz ein soziales Teilhabebedürfnis.

Zum denkbaren Eingliederungshilfebedarf gehören nur die Kosten der Begleitperson

Denn das allgemeine Bedürfnis nach selbstbestimmter Freizeitgestaltung besteht bei behinderten wie nichtbehinderten Menschen in gleicher Weise und löst dagegen für sich genommen regelmäßig noch keinen behinderungsbedingten Bedarf aus.

Anspruch auf Übernahme erforderlicher behinderungsbedingter Mehrkosten

Ein behinderter Mensch hat einen Anspruch auf Übernahme erforderlicher behinderungsbedingter Mehrkosten seiner angemessenen Freizeitgestaltung als Eingliederungshilfeleistung, dh auf diejenigen Kosten, die wegen Art und Schwere der Behinderung anfallen und die notwendig und geeignet sind, das Teilhabeziel zu erreichen (vgl BSG vom 11.9.2020 – B 8 SO 22/18 R – ).

Bedürfnis nach Urlaub bei behinderten wie nichtbehinderten Menschen gleich

Es löst für sich genommen regelmäßig keinen behinderungsbedingten Bedarf aus, weshalb eine Übernahme der eigenen Kosten einer Urlaubsreise als Teilhabeleistung im Grundsatz ausscheidet (vgl zur Empfängnisverhütung BSG vom 15.11.2012 – B 8 SO 6/11 R – ).

Besondere Kosten zur Durchführung der Freizeitgestaltung

Wenn sich Behinderte Menschen mit besonderen Kosten zur Durchführung der Freizeitgestaltung gerade aufgrund ihrer Behinderung konfrontiert sehen, sind erforderliche behinderungsbedingte Mehraufwendungen vom Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen umfasst.

Sie bestimmen sich nach der Differenz der Kosten der selbstgewählten Freizeitgestaltung des behinderten Menschen zu den Kosten eines nichtbehinderten Menschen bei dieser Freizeitaktivität.

Wunsch des Antragstellers ist geeignet und erforderlich

Eine einwöchige Kreuzfahrt eines mehrfach behinderten Menschen auf der Nordsee kann als geeignet und erforderlich, um sein Bedürfnis nach Urlaub/Erholung bzw. Freizeitgestaltung zu decken, aufgefasst werden.

Der Wunsch dieser mehrfach behinderten Person, sich auf eine einwöchige Urlaubsreise zu begeben, geht nicht in einem bedeutenden Maße über die Bedürfnisse eines nicht behinderten, in keiner Weise von Leistungen der öffentlichen Fürsorge abhängigen Erwachsenen hinaus.

Anmerkung Sozialrechttsexperte Detlef Brock

Die Entscheidung war auf das neue Recht der Eingliederungshilfe nach dem 2. Teil des SGB IX, das seit dem 1.1.2020 gilt, übertragbar.

Rechtstipp: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 18.08.2022 – L 8 SO 24/22 B ER –

Hilfebedürftiger hat Anspruch auf persönliches Budget zur Überwindung seiner Drogensucht, obwohl der Betroffene als erwerbsfähig gilt und Leistungen nach dem SGB II bezieht. Daneben kommen auch Leistungen der Eingliederungshilfe in Betracht.