Eine neue Weisung der Bundesagentur für Arbeit fordert die Jobcenter dazu auf, sog. Ein-Euro-Jobs als Strafmittel einzusetzen, wenn Bürgergeld-Bezieher entweder nicht zum Termin im Jobcenter erscheinen oder zugewiesene Maßnahmen nicht antreten. Wir berichteten.
Seit der Einführung von Hartz IV hat das Konzept der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) – umgangssprachlich „Ein-Euro-Jobs“ genannt – viel Aufmerksamkeit und Kritik auf sich gezogen.
Betroffene haben mehr Möglichkeiten sich gegen Ein-Euro-Jobs zu wehren, als oft angenommen wird.
Was ist ein 1-Euro-Job und welche gesetzliche Grundlage besteht?
Laut § 16 Abs. 3 Sozialgesetzbuch II (SGB II) ist die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung eine Maßnahme zur Wiedereingliederung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, die keine reguläre Arbeit finden können.
Solche Arbeitsgelegenheiten sind im öffentlichen Interesse zu erbringen, dürfen nur zusätzliche Arbeiten umfassen und begründen kein reguläres Arbeitsverhältnis.
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Das bedeutet: Ein 1-Euro-Job kann nicht in ein festes Arbeitsverhältnis münden und unterliegt nicht denselben arbeitsrechtlichen Bedingungen. Der Stundenlohn beträgt dabei oft nur etwa 1–2 Euro als Mehraufwandsentschädigung zusätzlich zum Bürgergeld.
Die Ablehnung eines 1-Euro-Jobs ist nur mit einer erheblichen Konsequenz möglich: Lehnt man eine solche Arbeitsgelegenheit ohne triftigen Grund ab, kann die Arbeitsagentur die Regelleistung um bis zu 30 Prozent kürzen. Wurde dieser als Strafe eingesetzt, droht sogar die Einstellung der Leistungen.
Welche Fragen sollten Sie sich bei einer Zuweisung stellen?
Bevor man gegen eine Zuweisung in einen 1-Euro-Job vorgeht, sollte man folgende Punkte genau prüfen:
- Ist die Maßnahme wirklich erforderlich? Das Jobcenter darf Ihnen einen 1-Euro-Job nur dann zuweisen, wenn andere Maßnahmen zur Integration in den regulären Arbeitsmarkt ausgeschöpft sind und erfolglos blieben. Dies ist eine gesetzliche Voraussetzung gemäß § 16 SGB II. Ein Arbeitsangebot in Form eines 1-Euro-Jobs darf also nur dann erfolgen, wenn eine echte Notwendigkeit besteht und keine andere Beschäftigung oder Qualifizierungsmaßnahme infrage kommt. Fordern Sie die Arbeitsagentur auf, diese Erforderlichkeit nachzuweisen und dokumentieren Sie alle eigenen Bemühungen um eine Arbeitsstelle.
- Sind Ihre Eigenbemühungen ausreichend berücksichtigt? Die Zuweisung eines 1-Euro-Jobs setzt voraus, dass Sie bereits zahlreiche Eigenbemühungen unternommen haben, um einen regulären Arbeitsplatz zu finden. Stellen Sie sicher, dass die Arbeitsagentur über Ihre Eigenbemühungen informiert ist und diese in die Entscheidung einbezogen wurden. Laut § 15 SGB II ist der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung vorrangig – darauf sollten Sie bestehen.
- Besteht ein Verdacht auf Arbeitsplatzverdrängung? Ein wesentlicher Kritikpunkt an 1-Euro-Jobs ist der Verdacht, dass diese reguläre Arbeitsplätze verdrängen könnten. Arbeitsgelegenheiten sollen zusätzlich sein, das heißt, die Arbeiten dürfen reguläre Stellen nicht ersetzen. Fragen Sie nach, ob Ihre Tätigkeit vorher von ehrenamtlichen Kräften übernommen wurde oder ob reguläre Mitarbeiter entlassen wurden. In solchen Fällen kann eine rechtliche Klage gegen die Maßnahme infrage kommen.
- Erfüllt die Arbeitsgelegenheit die Voraussetzungen des „öffentlichen Interesses“? Ein weiterer gesetzlicher Grundsatz ist, dass Ein-Euro-Jobs im öffentlichen Interesse liegen müssen. Erkundigen Sie sich bei kommunalen Vertretern, ob das Tätigkeitsfeld tatsächlich im öffentlichen Interesse liegt. Es sollte nicht um Arbeiten gehen, die privaten Zwecken dienen oder für deren Erfüllung normalerweise keine öffentlichen Mittel vorgesehen sind.
Welche Schritte kann man konkret gegen den Ein-Euro-Job unternehmen?
1. Widerspruch einlegen und Recht auf Information wahrnehmen
Zunächst haben Sie die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Maßnahme einzulegen. Zwar entfaltet ein Widerspruch gegen die Zuweisung in einen 1-Euro-Job keine aufschiebende Wirkung, das heißt, Sie müssen die Maßnahme bis zur Entscheidung über den Widerspruch antreten.
Dennoch lohnt sich der Widerspruch, da er den Druck auf die Arbeitsagentur erhöht, Ihre Bedenken zu überprüfen. Sie haben das Recht, umfassende Informationen zu Ihrer Arbeitsgelegenheit zu verlangen.
Fragen, die Sie bei der Arbeitsagentur oder dem Maßnahmeträger stellen sollten:
- Wurden Ihre Eigenbemühungen und andere Alternativen berücksichtigt?
- Gibt es eine Tätigkeitsbeschreibung und wie sieht die genaue Arbeitszeitregelung aus?
- Wurde die Höhe der Mehraufwandsentschädigung ausreichend festgelegt?
- Erfüllt die Arbeitsgelegenheit tatsächlich die gesetzlich geforderte Zusätzlichkeit?
Unterstützung durch die betriebliche Interessenvertretung und externe Beratung
Falls der Träger mehr als 20 Personen beschäftigt, haben Sie das Recht, die betriebliche Interessenvertretung einzuschalten.
Diese kann prüfen, ob die Arbeitsgelegenheit den Anforderungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) entspricht. Bei personellen Einzelmaßnahmen, wie der Besetzung eines Arbeitsplatzes, besteht ein Mitbestimmungsrecht.
Zusätzlich ist es ratsam, eine rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Die meisten Sozialverbände oder spezialisierte Rechtsanwälte für Sozialrecht bieten Erstberatung an und können Ihnen helfen, eine Klage vorzubereiten, falls Ihre Rechte verletzt wurden.
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Worauf sollte man besonders achten?
- Ist die Tätigkeit zusätzlich und nicht ersetzend? Fragen Sie beim Maßnahmeträger nach, ob die Tätigkeit vorher ehrenamtlich erledigt wurde oder ob die Kommune in der Vergangenheit Budgetkürzungen vorgenommen hat, die reguläre Stellen verhinderten. Dies kann Hinweise darauf geben, dass Ihre Arbeitsgelegenheit nicht die notwendige Zusätzlichkeit erfüllt.
- Werden durch Ihre Arbeitsgelegenheit reguläre Arbeitsplätze verdrängt? Vergleichen Sie das Personal des Trägers mit ähnlichen Einrichtungen. Eine hohe Anzahl an 1-Euro-Jobbern kann darauf hinweisen, dass reguläre Stellen bewusst eingespart werden.
- Fördert die Maßnahme Ihre Integration in den ersten Arbeitsmarkt? Arbeitsgelegenheiten sollten eine Perspektive auf den regulären Arbeitsmarkt eröffnen und keine Dequalifizierung nach sich ziehen. Fordern Sie, dass Ihre Tätigkeiten Ihrer Qualifikation entsprechen und dass es klare Maßnahmen zur Weiterbildung und Integration gibt.
- Sind Ihre Arbeitszeiten fair gestaltet? Damit Sie weiterhin Zeit zur Jobsuche haben, sollten die Arbeitszeiten begrenzt sein. Fragen Sie nach einer Regelung, die ausreichend Raum für Qualifizierungsmaßnahmen und Eigenbemühungen lässt.
- Gibt es Unterstützungsangebote wie Fahrtkostenübernahme oder Kinderbetreuung? Das Jobcenter sollte Ihnen Möglichkeiten zur Unterstützung anbieten, um Ihnen die Arbeitssuche zu erleichtern. Hierzu zählen die Übernahme von Fahrtkosten und Kinderbetreuung während der Maßnahme.
Rechte als Bürgergeld-Bezieher auch bei 1-Euro-Jobs wahrnehmen
Die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung kann rechtswidrig sein, auch dann, wenn sie als Strafmaßnahme verhängt wurde.
Nehmen Sie die Entscheidung des Jobcenters nicht einfach hin, sondern informieren Sie sich umfassend über Ihre Rechte. Sie haben Anspruch darauf, dass die Maßnahme nur dann erfolgt, wenn sie wirklich notwendig ist und Ihre Eigenbemühungen ausreichend gewürdigt wurden.
Tipp: Hier findet ihr im PDF-Format ein Muster für einen Widerspruch gegen den Ein-Euro-Job, den ihr kostenfrei verwenden könnt.
- Über den Autor
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.