Bürgergeld: Trotz Kostensenkungsverfahren Anspruch auf tatsächliche Mietkosten

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Auch nach einbem bereits durchgeführten Kostensenkungsverfahren kann der Anspruch auf die tatsächlichen Mietkosten wieder aufleben.

Auch nach bereits erfolgter Mietsenkung können die tatsächlichen Kosten der Unterkunft wieder zu übernehmen sein, wenn nachträglich Unmöglichkeiten oder eine Unzumutbarkeit der Kostensenkung vorliegt. (Orientierungssatz Detlef Brock)

Aus dem Urteil

1. Auch nach bereits durchgeführtem Kostensenkungsverfahren kann der Anspruch auf die tatsächlichen Kosten der Unterkunft gem. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II durch nachträglich eintretende Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung wieder aufleben.

2. Eine Kostensenkung durch Umzug oder Untervermietung ist gegen den Rat des behandelnden Arztes unabhängig von den objektiven medizinischen Gegebenheiten in der Regel so lange unzumutbar, wie diese ärztliche Einschätzung nicht durch amtsärztliches Gutachten widerlegt ist (Leitsatz Gericht). So entschieden vom SG Freiburg – S 9 AS 5037/09.

Das Jobcenter vertrat hier die Auffassung, dass die erst nach einem durchgeführten Kostensenkungsverfahren eintretende Unzumutbarkeit der Kostensenkung könne von Rechts wegen keinen Anspruch auf Wiedergewährung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft begründen

Dem ist die Kammer des SG Freiburg aber nicht gefolgt

Denn der Wortlaut des Gesetzes lege eine solche einschränkende Auslegung nicht nahe.

§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II beschränkt die Gewährung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf die Dauer der Unzumutbarkeit (“so lange”), trifft aber keine Aussage darüber, wann der Anspruch beginnt.

Insbesondere wird nicht gefordert, dass die Unzumutbarkeit bereits bei Beginn der Hilfebedürftigkeit, der Leistungsgewährung oder des Kostensenkungsverfahrens vorliegen müsse.

Eine Rechtfertigung, § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II im Falle nachträglich eintretender Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung nicht anzuwenden, bietet der Gesetzeszweck nicht

Es dürfte offenkundig sein, dass nachträgliches Angemessen werden zunächst unangemessener Unterkunftskosten (etwa durch personelle Vergrößerung der Bedarfsgemeinschaft, Ansteigen des örtlichen Mietzinsniveaus, Eintreten eines behinderungsbedingt erhöhten Raumbedarfs) zugunsten von Leistungsempfängern zu berücksichtigen ist.

Mit der Folge, dass über § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II der Anspruch auf die tatsächlichen Unterkunftskosten auch nach bereits erfolgter Mietsenkung wieder auflebt.

Es ist kein Grund ersichtlich, warum dasselbe Ergebnis über § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II bei nach Absenkung eintretender Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung ausgeschlossen sein sollte.

Anmerkung Detlef Brock

Dem ist aber das SG Chemnitz, Urteil vom 07.11.2014 – S 26 AS 3770/13 -. nicht gefolgt, denn

Kein Anspruch auf Erhöhung der Unterkunftskosten nach zulässiger Absenkung der Kosten der Unterkunft durch das Jobcenter

22 Abs. 1 Satz 3 SGB II begründet kein “Rückkehrrecht” wieder hin zu einer früheren höheren Zahlung, nachdem der Leistungsträger diese einmal zulässigerweise auf die angemessenen Kosten abgesenkt hat.

Insofern kennt das Gesetz keinen “Wiedererhöhungsanspruch” oder “Rückkehranspruch”, wenn zu einem späteren Zeitpunkt Umstände eintreten, die den Leistungsträger an der Kostensenkung zum ursprünglich angekündigten Zeitpunkt noch gehindert hätten, wenn diese Umstände damals vorge-legen hätten.

Sofern das Jobcenter einmal in zulässiger Weise die Unterkunftskosten auf die aus ihrer Sicht angemessenen Beträge absenken durfte, spielen Fragen der möglichen oder zumutbaren Absenkung nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der Folge grundsätzlich keine Rolle mehr.

Fazit

Mir gefällt natürlich die Auslegung des Urteils des SG Freiburg besser, allerdings sind nur wenige Gerichte dieser Auffassung gefolgt

Auch nach einem Kostensenkungsverfahren kann es unzumutbar sein umzuziehen, so aber zu mindestens im Ergebnis gleich das SG Kiel im Urteil vom 09.03.2017 – S 31 AS 31/15- unveröffentlicht.