Nach den mit der “Wachstumsinitiative” geplanten Änderungen im Bürgergeld soll Beziehern zumutbar sein, für einen Job umzuziehen – egal ob sie selbst dies wollen oder nicht.
Bei Ablehnung könnte die 100% Sanktion greifen.
Zumutbarkeit von Umzügen
(Neuer §10 Abs2 Nr6 SGB II):
Es wird ein Umzugszwang neu geregelt. Es soll für Bürgergeldempfänger zumutbar werden, umzuziehen wenn ein vorliegendes Beschäftigungsangebot dies erforderlich macht.
Diese Regelung soll nicht in den ersten 3 Monaten des Leistungsbezugs gelten und nur für sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten. Das macht es aber nicht besser.
Mögliche Konsequenzen
Aus meiner Sicht eine Regelung, die Missbrauch durch Vermieter Tür und Tor öffnet.
Wenn ein Vermieter eine Wohnung entmieten will, muss er nur dafür sorgen, dass es bei ihm selbst oder einem Freund ein weit entferntee Angebot für eine SV-pflichtige Tätigkeit gibt.
Wenn er nun der Vermieter (oder sein Bekannter) den Vertrag dem Bürgergeldempfänger und dem Jobcenter vorlegt, dann ist dieser verpflichtet umzuziehen und die Wohnung aufzugeben.
Zack! Entmietet!
Und ob der neue Mitarbeiter die Probezeit übersteht, ist nicht absehbar…
Ausnahmen
Diese Regelung soll nicht greifen, wenn familiäre Bindungen oder Pflege entgegen stehen, was genau das aber heißt, ist noch nicht absehbar.
Reicht ein Kind in Schule oder Kindergarten? Reicht es, wenn Enkel im gleichen Ort wohnen und betreut werden? Wird wohl Ermessenssache bleiben.
Und auch Leute ohne familiäre Bindungen sind oft intensiv mit ihrem Wohnort verbunden.
Vielleicht lebt der Partner oder die Partnerin dort.
Es gibt Freunde vor Ort.
Vielleicht ist jemand Trainer der Jugend-Fußballmannschaft oder bei der Feuerwehr.
Auch das ist wichtig!
Denkbare Konsequenzen
Diese Regelung kann zudem dazu führen, dass strukturschwache Regionen weiter Einwohnern im Erwerbsalter verlieren und die Metropolregionen, in denen es schon jetzt keinen verfügbaren angemessenen Wohnraum mehr gibt, weiter überfüllt werden.
Sanktionsmöglichkeit
Liegt ein Arbeitsvertrag vor, der einen nach der Neuregelung zumutbaren Umzug erforderlich machen würde und wird der Umzug verweigert, erfüllt dies die Voraussetzungen um eine 100%-Sanktion zu ermöglichen – die Verweigerung einen zumutbaren verfügbaren Job anzunehmen.
Quellen
Hier geht’s zum Gesetzesentwurf bei Tacheles:
https://t1p.de/2259k
Und hier zur bisherigen Regelung:
§10 SGB II: https://www.buzer.de/10_SGB_II.htm
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Simon alias “Sozi Simon” ist Sozialarbeiter aus Leidenschaft. Kämpfer für mehr Gerechtigkeit und gegen das Verschweigen/Verweigern von staatlicher Unterstützung. Er ist Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A-Z. Simon ist insbesondere bei Twitter für seine Ratgeber-Tweets bekannt und seit 2022 freier Autor bei Gegen-Hartz.de