Wer Bürgergeld beantragt, muss auch zahlreiche Papiere und Unterlagen vorlegen. Diese werden vom Jobcenter kopiert und in der Leistungsakte aufbewahrt. Am häufigsten werden Dokumente wie der Personalausweis, Kontoauszüge und die Krankenversicherungskarte kopiert. Ehemalige Leistungsbezieher haben vor Gericht die Löschung ihrer persönlichen Daten durchgesetzt.
Das Jobcenter fertigt daraufhin bei der Beantragung von Leistungen eine Kopie der Vorder- und Rückseite des Personalausweises an und legt diese zu den Akten.
Jobcenter weigerte sich alte Daten zu löschen
Im entschiedenen Fall wurden die Kopien angefertigt und zu den damaligen Papierakten genommen. Als sich der Leistungsbezug änderte, weigerte sich die Behörde jedoch, die Daten aus der elektronischen Akte zu löschen. Die Betroffenen ließen sich das nicht gefallen und erstritten sich ein wichtiges Urteil.
Nach dem Ende des damaligen Hartz-IV-Bezuges verlangten die Klägerin und ihr Ehemann die datenschutzgerechte Löschung ihrer persönlichen Unterlagen.
Darin forderten sie das Jobcenter auf, sämtliche Lichtbilder und Kopien von Krankenversicherungskarten, Personalausweisen und Kontoauszügen aus der Leistungsakte zu löschen. Das Jobcenter teilte daraufhin mit, dass sämtliche Lichtbilder, Kopien von Personalausweisen und Krankenversicherungskarten sowie Kontoauszüge aus der Papierakte zur Leistungsberechnung entnommen und im Schredder vernichtet worden seien.
Danach sei die Papierakte ins Archiv gelangt und werde nach einer gesetzlichen Verjährungsfrist vernichtet. In der elektronischen Akte seien die Unterlagen jedoch weiterhin digital gespeichert, hieß es in dem Antwortschreiben. Dies sei für die Erfüllung bestimmter Aufgaben erforderlich.
Widerspruch gegen Speicherung in der Jobcenter-E-Akte
Die Betroffene und ihr Ehemann wollten dies nicht hinnehmen und verlangten im Wege des Widerspruchs erneut die Löschung der aus der Papierakte des Jobcenters entfernten Teile aus der elektronischen Akte.
Das Jobcenter blieb jedoch stur und lehnte den Löschungsantrag mit Bescheid ab. Nach einer anschließenden Anhörung der Klägerin teilte das Jobcenter im Widerspruchsbescheid mit, dass lediglich das Lichtbild auf den gespeicherten Kopien des Personalausweises aus der elektronischen Akte gelöscht werde. Alles andere bleibe gespeichert.
Das Jobcenter begründete diese Maßnahme erneut damit, dass die Speicherung des Personalausweises und der Krankenversichertenkarte für die “Aufgaben nach dem SGB II” üblich sei. So würde die Kopie des Personalausweises aufbewahrt, um die jeweilige Identität festzustellen.
Damit wolle man Leistungsmissbrauch durch Mehrfachantragstellung verhindern. Auch nach dem Ende des Leistungsbezugs müsse eine Speicherung erfolgen, “damit auch im Nachhinein durch die Kontrollinstanzen überprüft werden kann, ob die antragstellende Person tatsächlich existiert”, heißt es in dem Schreiben.
Außerdem werde mit dem Bezug von Arbeitslosengeld II ein Versicherungspflichtverhältnis in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung begründet. Eine Anmeldung bei der gewählten Krankenkasse sei erfolgt. Da dies auch im Nachhinein überprüfbar sein müsse, sei auch die Speicherung der Daten der Krankenversichertenkarte erforderlich, so das Jobcenter.
Klage gegen Speicherung der Daten
Die Betroffenen gaben sich damit nicht zufrieden und klagten vor dem Sozialgericht. Das Jobcenter wiederholte vor Gericht seine Argumente. Die Mitarbeiter hätten keine andere Möglichkeit, die Identitäten korrekt festzustellen. Die Aufbewahrung einer Kopie des Personalausweises stelle auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Klägerin dar, so die Argumentation der Behörde.
Das Sozialgericht wies die Klage daraufhin ab. Die Klägerin gab sich jedoch nicht geschlagen und legte Berufung ein. In der Berufungsbegründung führte sie aus, das Sozialgericht verkenne, dass zwischen Datenerhebung und Datenspeicherung zu unterscheiden sei. Die Datenerhebung sei zur Identitätsfeststellung erforderlich, die Datenspeicherung hingegen nicht.
Im Übrigen könne die Datenspeicherung auch auf andere Weise als durch eine Fotokopie des Personalausweises erfolgen. So könne beispielsweise in der Akte vermerkt werden, welches Ausweisdokument mit welcher Nummer von welcher ausstellenden Behörde zur Identifizierung des Leistungsempfängers herangezogen worden sei.
Für den Bezug von Sozialleistungen wie dem Bürgergeld spiele es hingegen keine Rolle, ob der Leistungsempfänger auf dem Ausweisfoto blonde, dunkle oder grüne Haare etc. habe. Ebenso wenig spiele es eine Rolle, welche Augenfarbe er habe, wo er geboren sei und wie groß er sei. Dies unterscheide einen Personalausweis auch von einem Kontoauszug.
Landessozialgericht gab ehemaligen Empfänger Recht
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gab dem statt und verurteilte das Jobcenter “die Kopien des Personalausweises der Klägerin in der elektronischen Akte unverzüglich zu löschen.“
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Löschung der in der elektronischen Akte gespeicherten Daten sei zudem die Richtlinie 95/46/EG (DSGVO), die im Mai 2018 in Kraft trat.
Demnach haben ehemalige Leistungsbeziehende das Recht, dass alle personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden. „Diese Regelung entspricht im Wesentlichen dem zuvor bis zum 24. Mai 2018 in Deutschland geltenden Recht. Sozialdaten waren nach § 84 Abs. 2 SGB X a. F. auch zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die verantwortliche Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich war und kein Grund zu der Annahme bestand, dass durch die Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden…“ (aus der Urteilsbegründung, Aktenzeichen: L 26 AS 2621/17 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg)
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