Bürgergeld: Inkasso der Jobcenter ist übergriffig gegenüber Minderjährigen

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Bürgergeldzahlungen legt das Jobcenter gewöhnlich im Voraus fest. Stellt sich dann in den Augen des Jobcenters heraus, dass Leistungen zu Unrecht bezogen wurden, fordert es diese zurück.

Erstattung gilt für jeden in der Bedarfsgemeinschaft

Das Perfide daran: Da Minderjährige bei Familien unter den Bürgergeld-Bezug fallen und das Jobcenter die Erstattung anteilig von jedem Familienmitglied fordert, geraten Kinder in die Schuldenfalle.

“Verbesserungen für minderjährige Schuldner”

Die Partei die LINKE stellte eine schriftliche kleine Anfrage zu diesem Problem an den Hamburger Senat. Dieser leugnete die Verschuldung Minderjähriger durch die Jobcenter nicht, relativierte allerdings.

So ist in der Antwort zu lesen: „Durch die Einführung des § 40 Absatz 9 SGB II zum 1. Januar 2023 erfolgte jedoch eine Verbesserung der Situation minderjähriger Schuldnerinnen und Schuldner.”

“Bei Volljährigkeit gilt ein Schonbetrag von 15.000 Euro”

So müssten Minderjährige im Bürgergeld-Bezug mit Erreichen der Volljährigkeit nicht mehr mit ihrem gesamten Vermögen zahlen, sondern ihnen bliebe ein Freibetrag von 15.000 Euro.

“Ohne Volljährigkeit kein Freibetrag”

Was der Senat nicht erwähnt: Vollstreckt wird auch, wenn die Betroffenen noch garnicht volljährig sind. Die Schuldnerberatung Hamburg klärt auf, dass sich in diesen Fällen die Situation der Minderjährigen gerade nicht verbessert hat.

Die Regelung im Paragrafen 40 würde durch eine Vollstreckung vor der Volljährigkeit unterlaufen.

Inkasso bedrängt 15-jährige

So berichtet ein Martin S. im Forum der Schuldnerberatung: “In dem von mir (…) geschilderten Fall hat die Recklinghäuser BA-Inkasso trotz Zusage es nicht zu tun, einer 15-jährigen den Vollziehungsbeamten des Hauptzollamts nach Hause geschickt.”

Gezieltes Unterlaufen gültigen Rechts?

Im Forum der Schuldnerberatung sehen Betroffene diese Praxis sogar als Strategie an, um bestehendes Recht auszuhebeln. So versuchten es die Jobcenter bei den Minderjährigen, wenn bei den Erwachsenen nichts mehr zu holen sei.

Gesetz wird ad absurdum geführt

Weiter heißt es: “… und da wird sicher der eine oder die andere ein kleines Sparbuch von der Oma, mühsam angespartes Geld aus einem Nebenjob etc. haben. Damit wird der § 40 Abs. 9 SGB II ad absurdum geführt und es ist schlimmer, als es vorher war.“ (Post 12.6.2024, 9:55)

Beschränkte Haftung für Minderjährige

Juristisch gilt generell eine beschränkte Haftung. Der Paragraf 1629a BGB schützt Minderjährige. Diese sollen nicht mit Erreichen der Volljährigkeit für das Handeln ihrer gesetzlichen Vertreter haftbar gemacht werden.

Mit Erreichen der Volljährigkeit kann diese Haftung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen begrenzt werden.

Die Praxis der Jobcenter, Minderjährige, die über ihre Familie, also ihre Eltern, im Bürgergeld-Bezug sind, zur Kasse zu beten, hebelt diesen Rechtsgrundsatz aus.

Statt Eltern für ihre Kinder haften zu lassen, lassen die Jobcenter Minderjährige für ihre Eltern haften, wenn bei den Eltern nichts zu holen ist.

Übergriffig gegen die Schwächsten

Minderjährige, die mit ihren Familien als Bedarfsgemeinschaft im Bürgergeld-Bezug sind, gehören zu den Verletzlichsten und finanziell gefährdetsten Gruppen der Gesellschaft.

Der Druck durch den Inkasso-Service der Jobcenter bringt sie in zusätzliche existentielle Not und versperrt ihnen Zukunftschancen. Das darf nicht sein.