Für die Bundesagentur für Arbeit gilt die Abfindung als „Entlassungsentschädigung“. Sie soll einzig den Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichen und wird deshalb nicht als laufendes Arbeitsentgelt behandelt.
Wer nach einer betriebs‑ oder verhaltensbedingten Kündigung eine Abfindung erhält, darf in aller Regel unmittelbar im Anschluss Arbeitslosengeld I (ALG I) beantragen, ohne dass die Zahlung auf die Höhe des Leistungsanspruchs angerechnet wird.
Wichtig ist allerdings der Zeitpunkt, an dem das Arbeitsverhältnis rechtlich endet; hier entscheidet sich, ob zusätzlich eine sogenannte Ruhenszeit fällig wird.
Gesetzliche Kündigungsfrist beim Aufhebungsvertrag beachten
Kommt es nicht zu einer Kündigung, sondern zu einem einvernehmlichen Aufhebungsvertrag, muss der vereinbarte Austrittstermin zumindest die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist respektieren.
Verkürzen die Parteien diese Frist, betrachtet die Agentur für Arbeit den Teil der Abfindung, der rechnerisch die ausgefallenen Monatsgehälter abdeckt, als „versteckten Lohn“. Genau für diesen Zeitraum ruht dann der Anspruch auf ALG I; die Leistung beginnt erst nach Ablauf der eigentlich geschuldeten Frist.
Damit soll ausgeschlossen werden, dass Arbeitgeber Lohnkosten sparen, indem sie Gehaltsansprüche in eine steuerbegünstigte Abfindung umetikettieren.
Was bedeutet die Ruhenszeit nach § 158 SGB III und wann tritt sie ein?
Die Ruhephase knüpft ausschließlich an die Missachtung der Kündigungsfrist an. Sie wird tage‑ oder monatsgenau berechnet: Je nachdem, wie viele Monate zwischen dem tatsächlichen und dem fiktiven Beendigungsdatum liegen, ruht der Anspruch bis zu diesem Zeitpunkt.
In der Praxis kann das dazu führen, dass ein Beschäftigter zwar bereits abgemeldet ist, aber zunächst weder Gehalt noch Arbeitslosengeld bezieht.
Erst wenn die „fehlende“ Frist vollständig überbrückt ist, fließt ALG I in voller Höhe.
Die Abfindung selbst bleibt dabei unberührt; sie wird nur zur Längenbestimmung der Ruhenszeit herangezogen.
Wann droht eine Sperrzeit – und worin unterscheidet sie sich von der Ruhenszeit?
Neben der Ruhenszeit kennt das Gesetz die Sperrzeit nach § 159 SGB III. Sie tritt ein, wenn die Agentur für Arbeit feststellt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitslosigkeit selbst (mit‑)verursacht hat, etwa durch Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag ohne „wichtigen Grund“.
Die Regel‑Sperrzeit beträgt zwölf Wochen; in dieser Phase ruht nicht nur die Zahlung, sondern die gesamte Anspruchsdauer verkürzt sich rechnerisch um ein Viertel. Während die Ruhenszeit also primär eine zeitliche Verschiebung wegen verkürzter Kündigungsfristen darstellt, sanktioniert die Sperrzeit ein als versicherungswidrig eingestuftes Verhalten.
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Wie funktioniert die Turboklausel – Chance oder Risiko für das Arbeitslosengeld?
Turboklauseln, häufig auch Sprinterprämien genannt, erlauben es Beschäftigten, in einem später datierten Aufhebungsvertrag vorzeitig auszuscheiden.
Für jeden vorgezogenen Monat winkt eine Zusatzabfindung. Wer jedoch von dieser Option Gebrauch macht, muss wissen, dass das frühere Ausscheiden erneut die Kündigungsfristen‑Problematik aufwirft.
Wird der rechtliche Endtermin durch die „Sprinterbewegung“ nach vorn verlegt, prüft die Agentur für Arbeit erneut, ob darin versteckter Lohn liegt. Gelingt kein stimmiges Vertragskonzept, können sowohl Ruhens‑ als auch Sperrzeiten anfallen.
Warum ist die Vertragsformulierung wichtig sind
Seit Ende 2021 genügt bereits eine Abfindung von bis zu 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr, damit die Agentur für Arbeit bei Aufhebungsverträgen auf die vertiefte Prüfung einer ansonsten drohenden Kündigung verzichtet.
Das erleichtert zwar schnelle Einigungen, erhöht aber zugleich die Verantwortung der Parteien, alle Fristen und Folgen penibel zu regeln. Schon kleine sprachliche Ungenauigkeiten – etwa ein falsches Datum oder der fehlende Bezug auf die ordentliche Kündigungsfrist – können eine Sperrzeit auslösen oder die Ruhenszeit verlängern.
Welche Handlungsschritte sollten Arbeitnehmer vor der Unterschrift prüfen?
Wer ein Aufhebungs‑ oder Vergleichsangebot mit Abfindung erhält, sollte vor der Unterschrift fachkundigen Rat einholen. Arbeitsrechts‑ oder Fachanwältinnen klären, ob die vertragliche Kündigungsfrist eingehalten wird, wie sich Turboklauseln sauber ausgestalten lassen und wann ein „wichtiger Grund“ vorliegt, der eine Sperrzeit verhindert.
Fazit
Eine Abfindung schließt Arbeitslosengeld nicht aus, kann den Leistungsbeginn jedoch verschieben oder im ungünstigsten Fall zu einer Sperre führen.
Entscheidend ist die Vertragsarchitektur: Wer Kündigungsfristen wahrt, versteckte Lohnzahlungen vermeidet und die eigenen Motive klar darlegt, sichert sich den vollen ALG‑I‑Anspruch – und behält die Abfindung ungekürzt.