Aus unterschiedlichen Gründen verlangen Jobcenter von Leistungsbeziehenden sog. Überzahlungen zurück. Seit 2019 wurden pro Jahr rund 1,2 Millionen Rückforderungsbescheide an Hartz-IV-Beziehende gestellt.
Bei Hartz-IV-Rück- und Erstattungsansprüchen haben Jobcenter in der Vergangenheit selbst Centbeträge zurückgefordert. In anschließenden Mahnverfahren wird sogar der hauseigene Inkassodienst der Bundesagentur für Arbeit eingeschaltet.
1,2 Millionen Rückforderungsbescheide pro Jahr
“Seit 2019 hat es jährlich rund 1,2 Millionen Rückforderungsbescheide von ALG-II-Leistungen (Grundsicherung für Arbeitssuchende) durch die Jobcenter gegeben”, das ergeht aus einer kleinen Anfrage der Fraktion “Die Linke” an die Bundesregierung (hib 11/2023).
Im Durchschnitt verlangten die Ämter zwischen 482 und 524 Euro von Leistungsbeziehenden zurück. Insgesamt forderten sie rund zwei Milliarden Euro jährlich zurück.
In der Antwort verwies die Bundesregierung darauf, dass ein Rückforderungsbescheid mehrere Rückforderungen enthalten kann. Im Jahre 2021 haben die Leistungsbehörden in rund 28 Prozent der Fällen einen Rückforderungsbescheid ganz oder teilweise erlassen.
In 340.000 Fällen wurde ein Darlehen gewährt
Weil viele Betroffene die Rückforderungen nicht aufbringen konnten, gewährten die Behörden in etwa 340.000 Fällen ein zinloses Darlehen.
Durchschnittlich betrug das Darlehen etwa 570 Euro. Das Darlehen muss von den laufenden Regelleistungen über Monate hinweg abgezahlt werden. Die Betroffenen haben, trotz Unterdeckung des Bedarfs, weniger Geld für den Monat übrig. Allerdings wurde zu 50 Prozent ein Darlehen aufgrund einer Mietkaution beantragt.
Rückforderungen von einem Cent
In der Vergangenheit machten absurde Rückforderungen der Jobcenter immer wieder Schlagzeilen. So bekam beispielsweise nach ganzen 15 Jahren ein ehemaliger Hartz-IV-Bezieher ein Rückforderungsbescheid in Höhe von 1 Cent.
Zwischen zwei Jobs war der Betroffene erwerbslos. Es sei zu einer “Überzahlung” gekommen. Dem zuständigen Jobcenter war nach Rückfragen die Nachforderungen selbst unangenehm, aber bestätigte, dass man Überzahlungen “vollständig und rechtzeitig zu erheben” habe.
Ausgaben für Verwaltungskosten stiegen von Jahr zu Jahr
Jedes Jahr vermeldete die Bundesagentur für Arbeit eine Erhöhung der Ausgaben für den Verwaltungsapparat. So wurden beispielsweise im vergangenen Jahr rund 72 Millionen Euro nur dafür verwendet, um rund 30 Millionen Euro Überzahlungen per Mahnverfahren bei den Betroffenen einzufordern.
Einführung Bagatellgrenze im Bürgergeld
Seit 1.1. wurde eine Bagatellgrenze von 50€ für Rückforderungen mit §40 Abs1 S3-5 SGB II eingeführt. Die neue Regelung sagt in beiden Fällen aus, dass Forderungen unter 50€ je Prüfvorgang und für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nicht zurückgefordert werden sollen. Dieses “je Prüfvorgang” ist wichtig!
Bagatellgrenze je Prüfvorgang
Es geht um die Rückforderung, die durch eine Prüfung entsteht, nicht um die Rückforderung, die in einem Bewilligungsabschnitt entsteht. Insbesondere §40 Abs1 S4 SGB II ist da eindeutig: “Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen.”
Tipp: Daher ist es wichtig z.B. bei schwankenden Einkommen besser monatlich Lohnabrechnungen beim Jobcenter einreichen, damit Rückforderungen sich nicht addieren.
Weiteres zu den Neuregelungen haben wir hier genau beschrieben. Einen kritischen Artikel zu den Rückforderungen und der neuen Bagatellgrenze ist hier nachzulesen.
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