Berliner Bürgergeld-Betroffene zahlen bei Wohnkosten am meisten drauf

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Berliner Bürgergeld-Bezieher müssen im bundesweiten Vergleich die höchsten Zuzahlungen leisten, um ihre Wohnkosten zu decken. Diese belaufen sich auf knapp 160 Euro im Monat.

Diese Info stammt aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag, wie die Nachrichtenagentur “dpa” berichtet.

Diese finanziellen Belastungen stellen die Betroffenen vor erhebliche Herausforderungen, da sie mehr als ein Fünftel ihrer Wohnkosten selbst aus den Regelleistungen tragen müssen.

Dies führt zu hohen Einschnitten in anderen Lebensbereichen wie Essen, Kleidung oder auch Bildung.

Welche Rolle spielt der Staat bei der Übernahme der Wohnkosten?

Grundsätzlich sollen die Wohnkosten, also Miete und Heizkosten, für Bürgergeld-Empfänger vom Jobcenter übernommen werden.

Dies gilt jedoch nur, wenn die Wohnkosten als “angemessen” bewertet werden. Die Angemessenheit wird durch regional festgelegte Richtwerte für Miete und Wohnungsgröße bestimmt.

Sollte eine Wohnung diese Richtwerte überschreiten, sind die Bürgergeld-Empfänger verpflichtet, die Differenz selbst zu tragen oder Maßnahmen wie einen Umzug oder die Untervermietung eines Zimmers zu ergreifen.

Warum sind die Mietgrenzen oft unrealistisch?

Sozialverbände kritisieren seit Langem, dass die festgelegten Mietgrenzen vielerorts nicht der Realität entsprechen. In vielen Regionen haben Betroffene kaum Chancen, eine günstigere Wohnung zu finden.

Diese Situation führt dazu, dass immer höhere Beträge zugezahlt werden müssen.

Die zusätzlichen Kosten belasten das ohnehin knappe Budget der Bürgergeld-Bezieher und schränken deren Möglichkeiten in anderen Lebensbereichen weiter ein.

Besonders betroffen sind Tourismusregionen und Universitätsstädte, wo der Wohnraummangel besonders ausgeprägt ist.

Wie sieht die Lage bundesweit aus?

Bundesweit erhält jeder neunte Bürgergeld-Haushalt nicht die kompletten Wohnkosten erstattet. Dies betrifft fast 320.000 Haushalte, die im Durchschnitt 103 Euro pro Monat selbst aufbringen müssen. Die Zuzahlungen variieren stark je nach Region.

Während in Brandenburg Bürgergeld-Empfänger am seltensten Zuzahlungen leisten müssen, sind die Beträge in anderen Bundesländern deutlich höher.

Welche Unterschiede gibt es innerhalb von Mecklenburg-Vorpommern?

In Mecklenburg-Vorpommern müssen gut sieben Prozent der Bürgergeld-Empfänger Abstriche bei den staatlichen Zuschüssen für Miete und Heizkosten hinnehmen.

Im vergangenen Jahr betraf dies etwa 4.400 Haushalte. Die durchschnittliche Zuzahlung betrug 99 Euro pro Monat. Innerhalb des Bundeslandes gibt es jedoch erhebliche regionale Unterschiede.

In der Hansestadt Rostock mussten Bürgergeld-Haushalte die höchsten Zuzahlungen leisten, während in Nordwestmecklenburg die Beträge am geringsten waren.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Für Berlin und auch andere Städte gilt folgendes:

Wohnraum der nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus und des WoGG angemessen ist, kann jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten nicht grundsicherungsrechtlich unangemessen sein, so dass viele Kostensenkungsaufforderungen der Jobcenter rechtswidrig sind ( LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 17.01.2024 – L 32 AS 1179/23 B ER – ).

Rechtsanwälte und Vereine sind sich einig, dass Bezieher von ALG II unbedingt Widerspruch/Klage gegen die Kostensenkungsaufforderung einlegen sollten.

Die AV Wohnen Berlin vom 13.12.2022 enthält nach wie vor kein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Grenzen der Angemessenheit der Unterkunftskosten, denn sie ist normativ inkonsistent und daher schon begrifflich nicht schlüssig.

Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit sind wegen dessen normativer Vorprägung die gesetzgeberischen Entscheidungen zur Sicherung angemessenen Wohnraums für Hilfebedürftige zu beachten, um sicherzustellen, dass der Vergleich mit der Referenzgruppe gelingt.

Dazu gehört in angespannten Wohnungsmärkten der Vergleich mit den Mieten im sozialen Wohnungsbau.

Wohnraum der nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus und des WoGG angemessen ist, kann jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten nicht grundsicherungsrechtlich unangemessen sein.

Das Sozialrechtsoptimierungsgebot des § 2 Abs. 2 SGB I schließt in seiner verfahrensrechtlichen Wirkung bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit die Verortung der Darlegungs- und Beweislast auf Seiten des Leistungsberechtigten aus ( LSG BB – L 32 AS 1888/17 – ).

Voraussetzungen eines zulässigen Verzichts des Jobcenters auf die Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs. 1 S. 4 SGB 2 a. F. jetzt ( ab dem 01.01.2023 ) – § 22 Abs. 1 S. 10 SGB 2 beim Bürgergeld

1. Nach § 22 Abs. 1 S. 4 SGB 2 muss eine Absenkung der nach S. 1 unangemessenen Kosten für die Wohnung und Heizung nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Insoweit besteht die Möglichkeit eines zusammenfassenden Wirtschaftlichkeitsvergleichs hinsichtlich u. a. der gesamten Bruttowarmkosten.

2. Der Grundsicherungsträger hat zu prüfen, welche Vergleichskosten für Unterkunft und Heizung sich auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt ergeben, die der Leistungsträger nach einem Wohnungswechsel als angemessen zu zahlen hätte.

3. Die Regelung eines möglichen Absehens von einer Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs. 1 S. 4 SGB 2 versetzt den Grundsicherungsträger in die Lage, den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung auch bei der Entscheidung über die Kosten der Unterkunft und Heizung zu beachten.

Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum, wird dieses unterschritten durch Absenkung der Unterkunftskosten, ist in der Regel bei Vorhandensein der Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Kostensenkung ein Anordnungsspruch bei Gericht gegeben.

Legt alle Widerspruch gegen die Kürzung ein, denn das Jobcenter muss nachweisen, dass ihre Unterkunftskosten angemessen sind, wenn ihr nachweist, dass es für diesen Preis keine Wohnung gibt.

Linktipp: Das Jobcenter muss nachweisen, dass die Mietkosten von Leistungsempfängern unangemessen sind!