Auch wenn du eine amtliche Behinderung vorweisen kannst, bedeutet das nicht automatisch, dass damit auch automatisch die Schwerbehinderung einhergeht.
Die Beantragung und der Erhalt eines Schwerbehindertenausweises unterliegen bestimmten Kriterien und Prozessen, die im Folgenden ausführlich erläutert werden.
Was ist der Unterschied zwischen Behinderung und Schwerbehinderung?
Behinderung ist nicht gleich Behinderung, und Krankheit ist natürlich auch nicht gleich Krankheit.
Eine Behinderung oder Krankheit führt nicht zwangsläufig zu einer Schwerbehinderung, die durch den Schwerbehindertenausweis dokumentiert wird.
Ob und in welchem Ausmaß du aufgrund deiner Behinderung einen bestimmten Grad der Behinderung (GdB) erhältst und damit Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis sowie Nachteilsausgleiche hast, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Welche Rolle spielt die Versorgungsmedizinverordnung?
Wenn du darüber nachdenkst, ob es vielleicht Sinn macht, aufgrund deiner Behinderung einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, dann solltest du als allererstes mal in die sogenannte Versorgungsmedizinverordnung schauen.
Dieses kostenlose Dokument, welches detaillierte Informationen zu vielen Erkrankungen und Behinderungen enthält, gibt Aufschluss darüber, welchen Grad der Behinderung diese Krankheit mit sich bringt.
Wichtig ist, stets die aktuelle Version der Versorgungsmedizinverordnung zu nutzen, da diese regelmäßig angepasst wird. Änderungen können dazu führen, dass bestimmte Erkrankungen heute anders bewertet werden als in der Vergangenheit.
Warum ist die Diagnose nicht immer ausschlaggebend?
Selbst für ein und dieselbe Erkrankung gibt die Versorgungsmedizinverordnung nicht immer den gleichen Grad der Behinderung vor.
Das liegt daran, dass für die Einschätzung der Schwerbehinderung nicht die Diagnose an sich relevant ist, sondern die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen.
Es kommt also darauf an, was du aufgrund deiner Erkrankung nicht mehr kannst, wie stark du eingeschränkt bist und wie diese Einschränkungen deinen Alltag beeinflussen.
Ein Beispiel: Tinnitus und seine Einstufungen
Ein konkretes Beispiel ist der Tinnitus. Dieser wird je nach Ausprägung und Begleiterscheinungen unterschiedlich bewertet:
- Tinnitus ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen: 0 bis 10 GdB
- Tinnitus mit erheblichen psycho-vegetativen Begleiterscheinungen: 20 GdB
- Tinnitus mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, zum Beispiel bei Depressionen: 30 bis 40 GdB
- Tinnitus mit schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten: mindestens 50 GdB
Wie wird der Grad der Behinderung ermittelt?
Die genaue Einstufung erfolgt durch deinen Arzt, sei es dein Hausarzt oder ein Facharzt.
Beim Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis wirst du in der Regel nicht zu einem Amtsarzt eingeladen.
Daher ist es entscheidend, dass dein Arzt einen ausführlichen und präzisen Befundbericht schreibt. Diese Berichte sind die Grundlage für die Bewertung deines Grads der Behinderung.
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Was passiert bei mehreren Erkrankungen?
Wenn du mehrere Behinderungen oder Krankheiten hast, werden die einzelnen Grade der Behinderung nicht einfach addiert.
Stattdessen wird der höchste Einzelgrad berücksichtigt, es sei denn, die verschiedenen Erkrankungen verstärken sich gegenseitig. Ein klassisches Beispiel hierfür wäre eine Kombination aus Seh- und Hörbehinderung.
Die magische Zahl 50
Eine wichtige Grenze bei der Schwerbehinderung ist der GdB von 50. Erst ab einem Gesamtgrad der Behinderung von mindestens 50 giltst du als schwerbehindert und erhältst den Schwerbehindertenausweis.
Bei einem GdB von 20, 30 oder 40 hast du zwar eine anerkannte Behinderung, giltst jedoch nicht als schwerbehindert. Diese Unterscheidung ist beispielsweise wichtig für Nachteilsausgleiche am Arbeitsplatz oder für einen vorgezogenen Eintritt in die Altersrente.
Fazit: Funktionseinschränkungen sind entscheidend
Zusammengefasst bedeutet eine Erkrankung oder Behinderung nicht automatisch Schwerbehinderung. Entscheidend sind die Funktionseinschränkungen, die aus deiner Behinderung resultieren, und ob du den GdB von 50 erreichst. Beim Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis können auch Fehler gemacht werden, die es zu vermeiden gilt.
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.