Bürgergeld: Nichtanwendung des Kopfteilprinzips bei Mietkautionen

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Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Mietschulden gilt für Bezieher von Bürgergeld/ Sozialhilfe, dass auf die Gewährung von Leistungen für eine Mietkaution das sog Kopfteilprinzip keine Anwendung findet.

Das Leistungsberechtigt ist grundsätzlich immer nur derjenige, der nach dem Mietvertrag Schuldner der Mietsicherheit ist ( LSG NRW L 2 AS 662/22 B ER ).

Minderjährigen Kindern steht schon deshalb kein Anspruch zu – weil sie nach dem Mietvertrag nicht zivilrechtlich zur Zahlung der Kaution verpflichtet sind.

Das Kopfteil-Prinzip ist auf Leistungen für eine Mietkaution nicht anzuwenden, weil eine mit der Rückzahlungsverpflichtung nach § 42a Abs. 1 S. 3 SGB II einhergehende faktische Mithaftung der nicht am Mietvertrag Beteiligten, insbesondere auch der Kinder einer Bedarfsgemeinschaft, für unerfüllte Mietvertragsforderungen verhindert werden soll (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 10.06.2020, L 6 AS 718/20 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.10.2018, L 5 AS 295/18).

Elternteil als Mietvertragspartei und Schuldner der Mietkaution

So kann zum Beispiel die Tochter der Eltern keine Mietkaution vom Jobcenter beanspruchen, denn sie ist weder zur Mietzahlung noch zur Zahlung der Mietkaution verpflichtet ( Sächs. LSG L 7 AS 705/18 B ER mit Verweis auf BSG Urteil vom 18.11.2014 – B 4 AS 3/14 R ).

Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass vom Kopfteilprinzip abzuweichen ist, wenn bei objektiver Betrachtung eine andere Aufteilung angezeigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 3/14 R – ).

So hat es insbesondere entschieden, dass bei einer Leistung für Mietschulden (§ 22 Abs. 8 SGB II) in Abweichung vom Kopfteilprinzip nur die durch den Mietvertrag zivilrechtlich verpflichteten Personen als Darlehensnehmer in Betracht kommen .

Bundessozialgericht begründet seine Entscheidung wie folgt

Es hat dies damit begründet, dass eine mit der Rückzahlungsverpflichtung nach § 42a Abs. 1 Satz 3 SGB II einhergehende faktische Mithaftung der nicht am Mietvertrag Beteiligten, insbesondere auch der Kinder einer Bedarfsgemeinschaft, für unerfüllte Mietvertragsforderungen verhindert werden solle.

Insoweit hat es darauf abgestellt, dass es diesen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft an Einwirkungsmöglichkeiten auf die Zahlungsmoral der vertraglich Verpflichteten fehle und dass erhebliche Fehlanreize drohten (zur Vermeidung einer gesamtschuldnerischen Ausdehnung der Darlehensgewährung auf minderjährige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft siehe Sächsisches LSG, Beschluss vom 24. Februar 2015 – L 2 AS 1444/14 B ER – ).

Diese Überlegungen gelten für Mietkautionsleistungen, die gemäß § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II in der Regel als Darlehen zu erbringen sind, in gleicher Weise. Auch hier würde die Rückzahlungsverpflichtung nach § 42a Abs. 1 Satz 3 SGB II zu einer faktischen Mithaftung der nicht am Mietvertrag Beteiligten führen. Dies sind typischer Weise die Kinder in einer Bedarfsgemeinschaft.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten von Tacheles e. V.

1. Bei Mietkautionsdarlehen ist zudem § 42a Abs. 3 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen. Danach werden Rückzahlungsansprüche aus einem solchen Darlehen bei Rückzahlung durch den Vermieter sofort in Höhe des noch nicht getilgten Darlehensbetrags fällig.

2. Diese Regelung ist erkennbar darauf zugeschnitten, dass Empfänger des Mietkautionsdarlehens der Mieter ist und nicht ein anderes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.

Denn nur der Mieter erhält die Mietsicherheit nach dem Ende des Mietverhältnisses vom Vermieter zurück und wird dadurch in die Lage versetzt, die noch offene Darlehensschuld gegenüber dem Leistungsträger zu tilgen.

4. Auch die Gesetzesmaterialien zu § 22 Ab. 6 Satz 3 SGB II stellen darauf ab, dass die Mietkaution “im Regelfall an den Mieter zurückfließt” (BT-Drs. 16/688, S. 14) und sehen gerade darin den Grund dafür, dass die Leistungen regelmäßig nur darlehensweise zu gewähren sind.

Sozialrechtstipp vom Experten

Die gesamtschuldnerische Gewährung eines Darlehens zur Begleichung von Mietkautions- Schulden unter Einschluss eines minderjährigen Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft, das nicht selbst Vertragspartner des Mietvertrages ist, ist regelmäßig rechtswidrig ( vgl. dazu zu Energieschulden – analog anwendbar – Sächs. LSG L 2 AS 1444/14 B ER ).

Eine Aufrechnung von Rückzahlungsansprüchen des Jobcenters aus einem solchen Mietkautions – Darlehen gegen den Auszahlanspruch des Minderjährigen auf den ihm jeweils zustehenden Regelbedarf kommt daher – nicht in Betracht.