Hartz IV: Diese Jobcenter zahlen zu wenig Miete

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Hartz IV Betroffene mรผssen in “angemessenen Wohnungen” leben. Was “angemessen” ist, das bestimmen die Kommunen. Der Wohnungsmarkt wird allerdings immer angespannter. Es sind kaum noch gรผnstige Wohnungen zu bekommen. Die Folge: Die Betroffenen mรผssen die zusรคtzlichen Mietkosten, die nicht vom Jobcenter รผbernommen werden, aus den niedrigen Regelleistungen selbst aufstocken.

Eine Anfrage der Linken zeigt dringenden Handlungsbedarf bei den Wohnkostenlรผcken insbesondere in Haushalten mit Kindern. Die Zahlen stellen die Verfassungskonformitรคt der geltenden Rechtswirklichkeit in Frage. In einigen Bundeslรคndern und Stรคdten ist die Situation besonders angespannt.

Jeder sechste Haushalt in Hartz IV muss Mietkosten selbst aufstocken

“Die Antwort auf die von mir gestellte Kleine Anfrage 19/30857 zeigt: In Deutschland wird mehr als jedem sechsten Haushalt in Hartz IV nur ein Teil der Wohnkosten durch das Jobcenter erstattet”, berichtet Katja Kipping von den Linken.

In manchen Gemeinden, ist sogar jeder zweite Leistungsbezieher von einer sogenannten Wohnkostenlรผcke betroffen. Besonders hart trifft es Familien mit Kindern sowie Alleinerziehende. Hier fehlen den Betroffenen jeden Monat 101 Euro (Haushalte mit Kindern) bzw. 96 Euro (Alleinerziehende mit Kindern). Durchschnittlich haben Betroffene eine Wohnkostenlรผcke von 87 Euro.

Unterschiedliche Methoden zur Herleitung von angemessenen Wohnkosten

In Deutschland ist ein Methodenwildwurchs bei der Bestimmung angemessener Wohnkosten durch die Kommunen entstanden. Seit Jahren drรผcken sich die Bundesregierungen um eine verfassungskonforme Lรถsung fรผr die Wohnkosten von armen Menschen. “Die Folge ist Verdrรคngung und bitterste Armut. Die Betroffenen mรผssen sich die Miete im wรถrtlichen Sinne vom Munde absparen”, kritisiert die Linken-Politikerin.

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Die Bestimmung von den Angemessenheitsgrenzen bei den Wohnkosten betrifft neben Hartz IV-Beziehende auch arme Rentnerinnen und Rentner sowie erwerbsgeminderte Personen mit geringem Einkommen. Sie mรผssen bei zu geringen Angemessenheitsgrenzen Umziehen oder wenn dies nicht mรถglich ist, den Regelbedarf, der fรผr Essen, Mobilitรคt und soziale Teilhabe vorgesehen ist, fรผr Wohnkosten zweckentfremden.

Vergleicht man unterschiedliche Haushalte fรคllt auf: Besonders hart trifft es Familien mit Kindern und Alleinerziehende. Hier wird auch das Existenzminimum von Minderjรคhrigen durch Wohnkostenlรผcken von 101 โ‚ฌ (Familien mit Kindern) bzw. 94 โ‚ฌ (Alleinerziehende) regelmรครŸig unterschritten. Das fรผhrt zu einer Beschrรคnkung der Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen, die in Armut aufwachsen.

Unterschreitung des garantierten Grundrechts auf ein menschenwรผrdiges Existenzminimum

Das fรผhrt regelmรครŸig zu einer Unterschreitung des durch die Verfassung garantierten Grundrechts auf ein menschenwรผrdiges Existenzminimum. Die in der Antwort รผbermittelten Daten zeigen, dass diese Unterschreitung keine lokalen Einzelfรคlle sind, sondern es in fast allen Jobcentern eine hohe Zahl Betroffener gibt und die jeweiligen Wohnkostenlรผcken erheblich sind.

Diese Bundeslรคnder sind besonders betroffen

Im Land Berlin werden die meisten Fรคlle nicht รผbernommenen. Hier die Zahl 22 % (d.h. in 22 % aller Leistungsbeziehenden gibt es Kรผrzungen der Kosten der Unterkunft). Ebenso schwerwiegend ist die Situation im Land Brandenburg mit 16,5 %, gefolgt von Thรผringen mit 16,4 %. In Zahlen bedeutet das, dass bei den Haushalten in Berlin durchschnittlich 146,22 EUR nicht รผbernommen wird, gefolgt von Baden-Wรผrttemberg, wo durchschnittlich 104,83 EUR nicht รผbernommen werden.

Die hรถchste Nichtรผbernahmequote liegt in Saalfeld-Rudolfstadt in Hรถhe von 32,50 %, gefolgt von Schweinfurt mit 25,6 % und gefolgt von Berlin โ€“ Lichtenberg mit 24,6 %, berichtet Harald Thomรฉ von Tacheles e.V.

Diese Jobcenter zahlen am Wenigsten

Am schlimmsten trifft es zahlentechnisch die Menschen im Jobcenter Ebersberg, dort werden durchschnittlich 234,84 EUR, in Mรผnchen 213,13 EUR und in Dachau 198,47 EUR pro gekรผrztem Haushalt an Kosten der Unterkunft nicht anerkannt.

“Meine Fraktion und ich streiten fรผr eine รœberwindung des Hartz IV-Systems und die Ersetzung durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung. Unabhรคngig davon ist die Bundesregierung gefordert bis zu einer verfassungskonformen Lรถsung die tatsรคchlichen Kosten fรผr Unterkunft und Heizung รผbernehmen”, sagt Kipping.
Mit den besonders drastischen Wohnkostenlรผcken bei Familien mit Kindern und Alleinerziehenden “versรผndigt sich jeder, der den Status quo hinnimmt an den kommenden Generationen”.