Die Entscheidung des Landessozialgerichts zur Witwenrente im Fall der Beklagten und der Klรคgerin hat nicht nur rechtliche, sondern auch soziale Auswirkungen.
Was ist der Hintergrund des Falls?
Die Klรคgerin, geboren 1970, beantragte nach dem Tod ihres Ehegatten, der im Mรคrz 2016 verstarb, eine Witwenrente.
Die Ehe zwischen der Klรคgerin und dem Verstorbenen wurde am 24. September 2015 geschlossen, also weniger als ein Jahr vor seinem Tod.
Nach ยง 46 Abs. 2a SGB VI wird bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr grundsรคtzlich vermutet, dass es sich um eine Versorgungsehe handelt, es sei denn, besondere Umstรคnde widerlegen diese Vermutung.
Die Rentenversicherung lehnte den Antrag der Klรคgerin ab und argumentierte, dass die Eheschlieรung vorwiegend zur Sicherung der Witwenrente erfolgt sei. Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) gab der Klage zunรคchst statt. Auf Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht dieses Urteil jedoch auf und wies die Klage ab.
Warum wurde die Klage abgewiesen?
Die Entscheidung basierte auf mehreren rechtlichen und faktischen Erwรคgungen. Nach ยง 46 Abs. 2a SGB VI wird vermutet, dass eine Ehe, die weniger als ein Jahr dauert und mit dem Tod eines Ehepartners endet, primรคr aus Versorgungsgrรผnden geschlossen wurde.
Eine solche Vermutung kann nur durch den Nachweis besonderer Umstรคnde widerlegt werden.
Der Gesundheitszustand des Verstorbenen spielte eine wichtige Rolle in dem Verfahren. Bereits Monate vor der Eheschlieรung litt er an einer diagnostizierten, lebensbedrohlichen Erkrankung, deren Verlauf durch medizinische Dokumente belegt war.
Die kurzfristige Organisation der Eheschlieรung, die nur einen Tag nach der Anmeldung beim Standesamt stattfand, deutete ebenfalls auf eine eilige Entscheidung hin, die mit der Erkrankung des Verstorbenen in Verbindung gebracht wurde, so das Gericht.
Die Klรคgerin argumentierte, die Eheschlieรung sei “ausschlieรlich aus Liebe” erfolgt und lange geplant gewesen. Allerdings wurden keine ausreichenden Belege vorgelegt, die diese Behauptung stรผtzten.
Die Kombination aus der schweren Erkrankung, der kurzfristigen Eheschlieรung und den nicht รผberzeugend belegten anderen Motiven fรผhrte das Gericht zur Schlussfolgerung, dass Versorgungsgedanken รผberwogen.
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Welche rechtlichen Grundlagen spielten eine Rolle?
ยง 46 Abs. 1 und 2 SGB VI regelt den Anspruch auf Witwenrente, sofern die Ehepartner die allgemeine Wartezeit erfรผllt haben und die Ehe nicht durch Wiederheirat beendet wurde.
Nach ยง 46 Abs. 2a SGB VI wird eine gesetzliche Vermutung eingefรผhrt, dass eine Versorgungsehe vorliegt, wenn der verstorbene Ehepartner innerhalb eines Jahres nach der Eheschlieรung stirbt.
Die Klรคgerin trรคgt die Beweislast fรผr das Vorliegen besonderer Umstรคnde, die diese Vermutung widerlegen. Diese Umstรคnde mรผssen glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt werden.
Welche Bedeutung hat dieses Urteil?
Dieses Urteil (Az: >L 16 R 245/22) zeigt die strengen Anforderungen, die fรผr den Nachweis besonderer Umstรคnde im Sinne des ยง 46 Abs. 2a SGB VI gelten.
Die Gerichte nehmen eine umfassende Abwรคgung aller Umstรคnde vor, wobei dem Gesundheitszustand des Verstorbenen und der Motivation zur Eheschlieรung eine entscheidende Bedeutung zukommt. Das Urteil betont auch die Wichtigkeit einer nachvollziehbaren und glaubwรผrdigen Darlegung anderer Motive.
Was kรถnnen Betroffene aus dem Urteil lernen?
Wer eine lang geplante Eheschlieรung erst spรคt umsetzt, sollte nachvollziehbare Belege fรผr die Planungen vorlegen kรถnnen. Bei schwerer Erkrankung eines Partners kann es sinnvoll sein, juristische oder sozialrechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Das Urteil zeigt, dass Versorgungsgedanken per se nicht unzulรคssig sind, jedoch nicht der Hauptgrund fรผr eine Eheschlieรung sein sollten.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pรคdagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprรคvention und im Reha-Sport fรผr Menschen mit Schwerbehinderungen tรคtig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprรคvention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.