Uns erreichten Anfragen, ob Sie als Hinterbliebene, die bereits eine eigene gesetzliche Unfallrente beziehen, diese bei der Witwenrente anrechnen lassen mรผssen. Grund fรผr die Verwirrung sind unterschiedliche Urteile zweier Gerichtsinstanzen. Das Landessozialgericht Baden-Wรผrttembergs sagte “Nein”. Das Bundessozialgericht, die hรถhere Instanz, hob dieses Urteil auf und sagte “Ja”.
Wie begrรผndete das Landessozialgericht die Entscheidung?
Das Landessozialgericht Baden-Wรผrttemberg ging davon aus, dass die Unfallrente nicht anzurechnen sei und begrรผndete diese damit, dass sie als Rentenleistung steuerfrei ist, und dass steuerfreie Renten laut Paragraf 18 a SGB IV kein anrechenbares Einkommen sind.
Wie lautet der entsprechende Paragraf?
Wรถrtlich heiรt es im Gesetzestext:
1) Bei Renten wegen Todes sind als Einkommen zu berรผcksichtigen
1. Erwerbseinkommen,
2. Leistungen, die erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen),
3. Vermรถgenseinkommen und
4. Elterngeld.
Nicht zu berรผcksichtigen sind
1. steuerfreie Einnahmen nach ยง 3 des Einkommensteuergesetzes mit Ausnahme der Aufstockungsbetrรคge und Zuschlรคge nach dessen Nummer 28 und der Einnahmen nach de
Bei Renten wegen Todes sind als Einkommen zu berรผcksichtigen:
1. Erwerbseinkommen,
2. Leistungen, die erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen),
3. Vermรถgenseinkommen und
4. Elterngeld.
Nicht zu berรผcksichtigen sind
1. steuerfreie Einnahmen nach ยง 3 des Einkommensteuergesetzes (โฆ)โ
Die Richter lieรen ausdrรผcklich eine Revision zu, da es noch keine obergerichtliche Rechtsprechung zum Thema gebe, und die Literatur uneinheitliche Auffassungen vertrete.
Keine eindeutige Zuordnung
Die Wรผrttemberger Richter waren sich im klaren darรผber, dass die Frage kompliziert ist, und sie wogen ab. So werde die Unfallrente zwar als anzurechnendes Erwerbsersatzeinkommen definiert, doch die maรgebliche Vorschrift sei gerade deshalb in Kraft getreten, โum einen Gleichlauf zwischen Steuerrecht und Sozialrecht bei der Frage des anrechenbaren Einkommens zu schaffen.โ Es gรคbe also keine eindeutige Zuordnung, aber Wortlaut und Entstehung sprรคchen maรgeblich dagegen, die Unfallrente als Einkommen der Hinterbliebenenrente anzurechnen. (L 9 R 153/09)
Bundessozialgericht betont den Wortlaut des Gesetzes
Das Bundessozialgericht hielt den Wortlaut des Gesetzes hingegen fรผr eindeutig. Zwar sei die Unfallrente steuerfrei, doch ausdrรผcklich als anrechenbares Erwerbsersatzeinkommen erwรคhnt.
Nach Paragraf 18a Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 Sozialgesetzbuch Nummer 6 sei sie grundsรคtzlich an die Hinterbliebenenrente anrechenbar. Damit folgte das Bundessozialgericht dem Standpunkt der Rentenversicherung. (B 13 R R 15/11 R).
Die Unfallrente ist eine Ausnahme von der Regel
Die oberste Instanz des Sozialgerichts akzeptierte die Argumentation des Landessozialgerichts, gewichtete die Sachlage aber anders. Einerseits sei die Unfallrente als Erwerbsersatzeinkommen genannt, andererseits sei die Aussage, dass steuerfreie Einkรผnfte nicht als Einkommen gelten, ebenso eindeutig.
Dennoch gelte hier die Spezialregelung fรผr die Unfallrente gegenรผber der grundsรคtzlichen Rechtslage bei steuerfreien Einkรผnften.
Was bedeutet das fรผr Witwen und Witwer?
Entgegen Gerรผchten, die im Internet kursieren, ist die rechtliche Situation eindeutig, denn das Bundessozialgericht ist hier die letzte Instanz. Eine gesetzliche Unfall- oder Verletztenrente, die die gesetzliche Unfallversicherung bezahlt, gilt bei der Witwenrente als anrechenbares Einkommen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universitรคt Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen fรผr ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.