Witwenrente: Lange Partnerschaft reicht nicht – LSG kippt Urteil

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Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat am 20. November 2023 entschieden, dass eine Witwe keine große Witwenrente erhält, wenn die Ehe nur sieben Tage dauerte. Das Gericht kassierte damit ein früheres Urteil des Sozialgerichts Reutlingen. Entscheidend war die Vermutung einer sogenannten Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2a SGB VI.

Was ist eine Versorgungsehe?

Der Gesetzgeber schützt die Rentenkasse vor Heiraten, die allein dem Rentenbezug dienen. Stirbt ein Versicherter innerhalb eines Jahres nach der Trauung, prüft die Rentenversicherung automatisch, ob die Ehe primär der Versorgung diente. Die Rente entfällt, falls die Hinterbliebene den gegenteiligen Nachweis nicht zweifelsfrei führt.

Die Fakten des Falls

Die 1958 geborene Klägerin lebte seit 2012 mit ihrem Partner zusammen und heiratete ihn am 4. Januar 2019 während eines Krankenhausaufenthalts im Universitätsklinikum Tübingen. Der Bräutigam war zu diesem Zeitpunkt schwer an fortgeschrittener Niereninsuffizienz erkrankt, Dialysen ließen sich kaum noch durchführen, und er verstarb bereits sieben Tage nach der Trauung, am 11. Januar 2019.

Die Deutsche Rentenversicherung verweigerte daraufhin die Witwenrente. Zwar sprach das Sozialgericht Reutlingen der Frau im Jahr 2022 die Leistung zu, doch das Landessozialgericht Baden-Württemberg hob dieses Urteil inzwischen wieder auf.

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Warum das LSG anders entschied

Die Richter betonten: Bei einer offenkundig lebensbedrohlichen Erkrankung müssen außergewöhnlich gewichtige Gründe gegen eine Versorgungsehe sprechen. Eine lange Partnerschaft allein genügt nicht.

Im konkreten Fall fehlten:

  • konkrete Hochzeitsvorbereitungen vor Dezember 2018
  • Belege für eine feste Heiratsabsicht trotz mehrjähriger Beziehung
  • religiöse oder familiäre Zwänge, die eine sofortige Ehe erklärten

Dass der Verstorbene die Klägerin bereits im Februar 2018 testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt hatte, wertete das Gericht eher als Indiz für ein Versorgungsmotiv.

Rechtliche Einordnung

§ 46 Abs. 2a SGB VI legt die Beweislast klar auf die Hinterbliebenen. Wer innerhalb des ersten Ehejahres Witwen oder Witwerrente beantragt, muss stichhaltige Umstände liefern, die stärker wiegen als der wirtschaftliche Nutzen. Gefühle reichen nicht; Gerichte verlangen objektive Fakten wie:

  • lang geplante Trauung mit Termin und Reservierungen
  • bereits unterschriebener Ehevertrag
  • gemeinsame Kinder, denen ehelicher Status Vorteile bringt

Was Betroffene daraus lernen

Sie können viel Geld verlieren, wenn Sie eine späte Hochzeit in kritischer Krankheitsphase wagen. Planen Sie daher rechtzeitig – und dokumentieren Sie den Entschluss. Heiratsabsichten lassen sich durch Verlobungsanzeigen, Standesamt-Anmeldungen oder gebuchte Locations beweisen.

Sozialpolitischer Kontext

Blitz-Ehen im Krankenhaus sind selten, aber brisant. Laut Rentenversicherung scheitern jährlich mehrere Hundert Witwen und Witwerrenten an der Ein-Jahres-Regel. Kritiker\innen fordern eine Einzelfallprüfung, weil langjährige Pflegetätigkeit oft nicht ausreicht, um die Versorgungsehe-Vermutung zu entkräften.

Tipp für Betroffene

Wer einen kranken Partner pflegt und heiraten will, sollte früh Beweise sammeln: gespeicherte E-Mails mit Terminplänen, Verlobungsringe auf Rechnung, Reservierungen beim Standesamt. Das kann im Ernstfall den entscheidenden Unterschied machen.

Ausblick für diesen Fall

Die Klägerin kann noch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht einlegen. Bis dahin gilt das LSG-Urteil: Keine Rente trotz siebenjähriger Partnerschaft, weil die Hochzeit zu spät kam.