Das Jobcenter muss einen Mehrbedarf für Körperpflegeprodukte aufgrund von Neurodermitis in Höhe von monatlich 60 Euro zahlen. Ein Bürgergeld- Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB 2 setzt unter anderem voraus, dass im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.
Die Bedarfslage muss eine andere sein als diejenige, die bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen vorliegt.
Es muss daher ein Mehrbedarf im Verhältnis zum “normalen” Regelbedarf gegeben sein (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 4/14 R).
Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Bürgergeldempfänger hat einen auf § 21 Abs. 6 SGB II gestützten Mehrbedarf für Körperpflegeprodukte aufgrund seiner – Neurodermitis – in Höhe von monatlich 60 Euro ( Orientierungssatz Detlef Brock – LSG Hamburg, Urt. v. 30.07.2021 – L 4 AS 275/20 – ).
Kein Mehrbedarf wurde aufgrund der Neurodermitis gewährt für Kleidung, Bettwäsche und Handtücher aus reiner Baumwolle
Denn einfache Baumwollprodukte sind nicht generell teurer als solche aus Kunstfasern; schadstoff- bzw. rückstandsgeprüfte Textilien sind schon lange nicht mehr nur bei hierauf spezialisierten Händlern erhältlich. Es sind genügend günstige Angebote vorhanden, so das Gericht.
Mehrbedarf für den Verbrauch von Strom, Wasser und Putz- bzw. Waschmitteln
Auch dieser Mehrbedarf wurde nicht gewährt, weil die erhöhten Kalt- und Warmwasserkosten vermögen einen Mehrbedarf schon deshalb nicht zu begründen, weil sowohl das Kaltwasser als auch das zentral über die Heizungsanlage bereitgestellte Warmwasser über die Heizenergieversorgung abgerechnet werden und das Jobcenter im Rahmen der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ohnehin die vollen tatsächlichen Kosten hierfür berücksichtigt hat.
Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock
Auch hier war der Kläger nur ungenügend vorbereitet, denn
1. Der Anspruch auf Berücksichtigung eines Warmwassermehrbedarfs über die Warmwasserpauschale hinaus besteht, soweit die Aufwendungen für die Warmwassererzeugung durch die Warmwasserpauschale nicht vollständig gedeckt werden und sie nicht unangemessen sind (BSG Urteil vom 07.12.2017 – B 14 AS 6/17 R).
2. Wenn die Pauschalen nicht ausreichend sind, um die Kosten zu decken, müssen die Gerichte die tatsächlichen Kosten ermitteln und ggf. schätzen. Diese sind dann bis zur Grenze der Angemessenheit zu übernehmen. Hier lassen sich die tatsächlichen Kosten für die Warmwassererzeugung mangels einer separaten Messeinrichtung nur schätzen.
3. Gründe, die das Überschreiten der Angemessenheitsgrenze für Warmwasserkosten durch die Leistungsempfänger im Einzelfall rechtfertigen und dadurch die mit dieser Grenze verbundene Indizwirkung hinsichtlich der Unangemessenheit der tatsächlichen Kosten (vgl zu Heizkosten BSG vom 19.5.2021 – B 14 AS 57/19 R – ) erschüttern könnten
Sind bspw ein krankhafter Waschzwang, vgl LSG Baden-Württemberg vom 21.7.2021 – L 3 AS 2812/19 – ; weitere Beispiele bei Brehm/Schifferdecker SGB 2021, 421, 424, zum Ganzen BSG, Urt. v. 28.02.2024 – B 4 AS 18/22 R – Rz. 38.
4. Bei einem Strommehrverbrauch z. Bsp. Wegen Waschzwang oder mehrmaligem, täglichen Duschen oder Baden ist der Warmwassermehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II zu beantragen oder für die Sozialhilfe § 30 Abs. 7 SGB XII .
5. Bei einem zu hohen Nebenkostenverbrauch z. Bsp. Wassermehrverbrauch gilt als Anspruchsgrundlage § 22 Abs. 1 SGB II bzw. § 35 Abs. 1 SGB XII für die Sozialhilfe.
Lesetipp gilt für ALG II/SGB XII
Das Sozialamt muss Zusatzkosten für Warmwassermehrbedarf in Höhe von monatlich ca. 55 € zahlen für krankheitsbedingtes häufiges Duschen.
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.