Bürgergeld: Dann zahlt das Jobcenter Mehrbedarf für Heil- und Hilfsmittel

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Das Jobcenter gewährt keinen Sonderbedarf ( § 21 Abs. 6 SGB 2 ) für Heil und Hilfsmittel bei Fußpilzinfektion und für eine Jahreskarte für ein Schwimmbad vor dem Hintergrund eines Rückenleidens.

Für Heil- und Hilfsmittel, die zur Behandlung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung (hier: Fußpilzinfektion) benötigt werden, kommt die Gewährung eines Mehrbedarfs zum Regelsatz jedenfalls solange nicht in Betracht, wie die Ausgaben für Arzneimittel pro Monat die im Regelbedarf für Gesundheitspflege berücksichtigten Ausgaben nicht übersteigen.

Dies gilt nach der Rechtsprechung zum Bürgergeld erst recht dann , wenn es sich bei der zu behandelnden Gesundheitsbeeinträchtigung um eine häufig vorkommende Erkrankung und insoweit nicht um eine atypische Situation handelt ( SG Mannheim Az. S 3 AS 2441/16 – nachgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 6. April 2020, L 7 AS 183/20 – nachgehend BSG, 25. Mai 2020 – B 4 AS 223/20 B – ).

Erklärung des Gerichts (Kurzfassung)

Es ist erforderlich, dass der besondere Bedarf quantitativ erheblich von dem durchschnittlichen Bedarf abweicht

Denn die Besonderheit des Bedarfs im – Einzelfall – ist immer dann gegeben, wenn im Vergleich zu den durch den Regelbedarf abgedeckten „Durchschnittsfällen“ die Lebenssituation und damit die Bedarfslage der individuellen Leistungsberechtigten in quantitativer und qualitativer Hinsicht anders geprägt ist.

Im Übrigen muss der Bedarf unabweisbar sein, das heißt es muss sich um einen unaufschiebbaren Bedarf handeln, dessen Deckung erforderlich ist, um im konkreten Einzelfall das menschenwürdige soziokulturelle Existenzminimum sicherzustellen.

Zudem wird durch die Formulierung, dass ein erhebliches Abweichen von einem durchschnittlichen Bedarf verlangt wird, verdeutlicht, dass nicht jeder quantitative Mehrbedarf gegenüber einer einzelnen in den Regelbedarf eingeflossenen Position bzw. geringfügige qualitative Mehrbedarfe zugleich einen atypischen besonderen Bedarf darstellen.

Wann entsteht der Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II

Der Anspruch auf den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II entsteht mithin erst, wenn der Leistungsberechtigte auch unter Ausschöpfung dieser Potentiale sein menschenwürdiges Existenzminimum nicht mehr abdecken kann, d. h. es kommt darauf an, dass der atypische Bedarf von einem durchschnittlichen Bedarf in nicht nur unbedeutendem unwirtschaftlichen Umfange – abzustellen ist auf die Umstände des Einzelfalles – abweichen muss.

Danach ist ein unabweisbarer Bedarf jedenfalls dann abzulehnen, wenn der Bedarf den einschlägigen Kostenansatz im Regelbedarf der jeweiligen Abteilungen nicht überschreitet.

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Gericht lässt offen, ob der Bedarf für Hygienemittel wie Desinfektionsmittel und Küchenrollen zum Abtrocknen der Füße ein besonderer Bedarf ist

Denn erfasst werden nur Bedarfe, die aufgrund atypischer Bedarfslagen über den Durchschnittsbedarf hinausgehen oder aufgrund ihrer Atypik vom Regelbedarf nicht erfasst sind. Zweifelhaft ist dies bereits deshalb, weil Fußpilzinfektionen häufig auftreten: Zwischen 3 und 15 Prozent der Bevölkerung sind betroffen.

Kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Jahreskarte zum Besuch des Herschelbads als Mehrbedarf

Die Kosten für die Jahreskarte für das Schwimmbad fallen bei dem Kläger einmal jährlich an. Dies ist ausreichend, um einen laufenden Bedarf anzunehmen.

Allerdings handelt es sich nicht um einen besonderen unabweisbaren Bedarf, denn wiewohl angenommen werden kann, dass die vom Kläger durchgeführten Schwimmbadbesuche gesundheitliche Vorteile mit sich bringen, handelt es sich – da es sich nicht um Rehasport, oder ähnliches – handelt, letztlich trotz der ärztlichen Empfehlung um eine Freizeitaktivität, wofür Kosten im regelsatz enthalten sind.

Fazit

Jedenfalls ist der Bedarf nicht unabweisbar i. S. d. § 21 Abs. 6 S. 2 SGB II. Die Voraussetzung, dass der Bedarf nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten gedeckt werden kann ist nicht erfüllt.

Denn der Kläger macht einen Mehrbedarf für die Behandlung des Fußpilzes geltend, der deutlich unterhalb der Kosten liegt, die im Regelbedarf für Gesundheitspflege vorgesehen sind ( .ca. 8,- EUR monatlich).

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock von Tacheles e. V.

Ca. 8,- EUR monatlich für Heil- und Hilfsmittel zur Behandlung einer Gesundheitsbeeinträchtigung – Fußpilzinfektion können keinen Mehrbedarf vom Jobcenter begründen.

Das LSG Hamburg ( Az. L 4 AS 25/20 ) hatte keine Zweifel, dass bei einem regelmäßigen monatlichen Aufwand von – mindestens – 20 Euro ein erhebliches Abweichen von dem durchschnittlichen Bedarf besteht (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2010 − B 14 AS 13/10 R zu einem Anspruch auf Übernahme monatlicher Aufwendungen für Hygienekosten in Höhe von 20,45 Euro nach § 73 SGB XII ).