Wenn Eingliederung ignoriert: Keine Kündigung für Arbeitnehmer

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Wenn Sie langfristig erkranken und unklar ist, ob Sie an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, denken viele Arbeitgeber an eine Kündigung.

Doch dies ist nicht so einfach, wie manche Chefs es gerne hätten. Das Arbeitsrecht schützt Sie. Es verlangt eine genaue Prüfung, damit eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam wird.

Wir zeigen Ihnen in diesem Beitrag, worauf Sie achten müssen und veranschaulichen an einem Urteil zugunsten einer erkrankten Arbeitnehmerin, welche Versäumnisse des Arbeitgebers dazu führen, dass Sie weiterbeschäftigt werden müssen.

Wie sind die Rechtsgrundlagen?

Um eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, muss der Arbeitgeber eine vierstufige Prüfung einhalten. Diese beinhaltet erstens eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer Ihrer Arbeitsunfähigkeit. Zweitens gehört dazu eine Einschätzung der daraus resultierenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen.

Drittens müssen die Interessen abgewogen werden, ob die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung führen. Viertens muss geprüft werden, ob ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt werden kann.

Es reicht also nicht aus, dass durch Ihre Erkrankung betriebliche Interessen beeinträchtigt sind, sondern diese Beeinträchtigung muss erstens erheblich sein und zweitens schwerer wiegen als Ihr Interesse am Erhalt Ihres Beschäftigungsverhältnisses.

Die Richtlinie ist 24 Monate

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts umreißen einen Zeitraum von 24 Monaten einer langfristigen Erkrankung, den der Arbeitgeber abwarten muss, bevor er eine wirksame Kündigung ausstellen darf. Innerhalb dieses Zeitraums ist es demnach für den Arbeitgeber zumutbar, eine Ersatzkraft zur Überbrückung einzustellen.

In jedem Fall muss der Arbeitgeber stichhaltig begründen, warum eine befristete Einstellung einer Ersatzkraft nicht möglich ist. Das entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG Schleswig-Holstein 3 SA /4/2)

Arbeitgeberin besetzt Stelle bereits vor Kündigung

Die Betroffene arbeitete als Bilanzbuchhalterin. Seit Oktober 2021 war sie wiederholt krank und erkrankte ab Dezember 2022 dauerhaft. Die Arbeitgeberin lud sie 2022 zweimal zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) ein. Sie lehnte beide Male ab.

Die Arbeitgeberin hörte daraufhin den Betriebsrat zu einer geplanten ordentlichen Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen an. Der stimmte zu, und die Arbeitgeberin stellte eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung aus. Was die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat jedoch nicht erwähnte: Die Stelle der erkrankten Buchhalterin war bereits mit einer internen Mitarbeiterin besetzt worden.

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Klage vor dem Arbeitsgericht

Die Erkrankte reichte beim Arbeitsgericht Elmshorn eine Kündigungsschutzklage ein. Dieses erklärte die Kündigung für unwirksam, und die Arbeitgeberin ging vor dem Landesarbeitsgericht in Berufung. Doch auch dieses bestätigte die Berechtigung der Kündigungsschutzklage.

Kündigung war nicht sozial gerechtfertigt

Das Landesarbeitsgericht stellte gleich mehrere Punkte klar, wegen denen die Kündigung nicht gerechtfertigt war. Die Richter führten erst einmal aus: „Eine Ungewissheit hinsichtlich Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin steht – so sie tatsächlich vorliegt – einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn jedenfalls in den nächsten 24 Monaten mit einer Genesung nicht gerechnet werden kann.

Einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten kann der Arbeitgeber dagegen typischerweise ohne Schwierigkeiten durch Einstellung einer Ersatzkraft mit einem befristeten Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG überbrücken“.

Die Arbeitgeberin hätte beim Betriebsrat keine konkreten Angaben dazu geäußert, dass 24 Monate ab Zugang der Kündigung keine Genesung der Erkrankten zu erwarten sei. Sie hätte auch nicht ausreichend erläutert, warum die Stelle durch eine interne Mitarbeiterin dauerhaft besetzt sein müsste – und nicht befristet bis zu einer möglichen Rückkehr der Klägerin.

Die Arbeitgeberin argumentierte, dass die Beschäftigung von zwei Personen auf einer Stelle zu einer Doppelbesetzung führe. Dies bedeute eine erhebliche Beeinträchtigung des Betriebs.

Das überzeugte das Landesarbeitsgericht allerdings nicht, denn diese mögliche Beeinträchtigung der Interessen hielten die Richter für unzureichend belegt. Die Arbeitgeberin hätte zudem keine Lösung angeboten, in der die auf die Stelle gesetzte Mitarbeiterin nach Rückkehr der Klägerin einen alternativen Arbeitsplatz erhalte.

Das Landesarbeitsgericht entschied, dass die Arbeitnehmerin weiterbeschäftigt werden muss oder eine Abfindung gezahlt werden muss.