Kinderzuschlag: Zuwendungen der Mutter sind kein Einkommen bei Rückzahlungsverpflichtung

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Mit wegweisendem Urteil gibt das Landessozialgericht Sachsen bekannt, dass Privatdarlehen – kein Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II darstellen.

Zur Ernsthaftigkeit einer Darlehensabrede zwischen Familienangehörigen

Das Gericht war hier zu der Überzeugung gelangt, dass eine ernsthafte Abmachung bezüglich der finanziellen Unterstützung der Klägerin durch ihre Mutter bestand, und dass die Mutter die vereinbarten Zahlungen auch erbrachte.

Begründung des Gerichts

Es lag aber keine schriftliche Vereinbarung vor. Der Umstand, dass in Bezug auf das behauptete Darlehen keine schriftliche Vereinbarung vorliegt, ist unerheblich, denn ein Darlehensvertrag kommt grundsätzlich formfrei zustande, das heißt auch mündlich oder konkludent.

Dazu das Gericht – Zitat

“Anhaltspunkte, die Indiz dafür sein könnten, dass es keine ernsthafte Abmachung zwischen der Klägerin und ihrer Mutter über die Zahlung von 300,00 EUR monatlich gegeben haben könnte, liegen nicht vor. Zwar gibt es keinen schriftlichen Beleg, dass die Zahlungen in bar tatsächlich erfolgt sind (z. B. eine Quittung). Auch liegt kein mittelbarer Nachweis vor, wie zum Beispiel ein Kontoauszug der Mutter der Klägerin, aus dem sich eine Abhebung in Höhe von mindestens 300,00 EUR – vorzugsweise in einem zeitlichen Zusammenhang mit den angegebenen Zahlungszeitpunkten – ersehen ließe. ”

Aus dem Rechtsgebiet des SGB 2 ist dem Gericht bekannt, dass Eltern ihren Kindern oft mal unter die Arme greifen

Zahlungen zwischen Familienangehörigen, wie zum Beispiel für Miete, werden nach Auffassung des Gerichts . gelegentlich auch mal – in bar und ohne Zahlungsnachweis erbracht.

Dafür, dass die Zahlungen der Mutter der Klägerin tatsächlich vereinbart waren und geleistet wurden, spricht unter anderem, dass die Unterstützungsleistungen im Umfang von 300,00 EUR nur für einen überschaubaren Zeitraum von etwa einem 3/4 Jahr vorgesehen waren. Auch sprechen die finanziellen Verhältnisse der Mutter der Klägerin nicht gegen Unterstützungsleistungen.

Das Darlehen bleibt aber nur dann als Einkommen unberücksichtigt, wenn eine Rückzahlungsvereinbarung vorliegt – Nachweislich muss die Zuwendung zurück erstattet werden

Aber zur Überzeugung des Gerichts ( gestützt durch die Aussagen der Betroffenen) wurde weder – eine Rückzahlungspflicht als solche noch die Höhe, der Zeitpunkt oder die Modalitäten für eine etwaige Rückzahlung des Darlehens erwähnt beziehungsweise beabsichtigt

Denn dass eine anteilige Darlehensgewährung nicht nur nicht angesprochen wurde, sondern zum damaligen Zeitpunkt auch nicht beabsichtigt war, erscheint plausibel.

Denn nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG a. F. musste die Person, die Kinderzuschlag beanspruchte, über Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfügen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen, als Einkommen zu berücksichtigen.

Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Privatdarlehen – kein Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II darstellen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt als lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R – [zum Darlehen von Verwandten]; BSG, Urteil vom 8. Dezember 2020 – B 4 AS 30/20 R – [zum Studentenkredit].

Das Ehepaar war unwissend zur Anrechnung von Darlehen im SGB II – dass war hier ihr großer Fehler!

Das Gericht ist hier der festen Überzeugung, dass der Klägerin und ihrem Ehemann wohl nicht bekannt war, dass ein Darlehen eines Familienangehörigen nicht als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigt wird.

Fazit

Somit war die teilweise Rückforderung des Kinderzuschlags rechtens.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

1. Beim Kindergeldzuschlag stellen Privatdarlehen kein Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II dar. Dies gilt aber nur, wenn unter den Verwandten eine klare Rückzahlungsvereinbarung getroffen wurde, dies kann auch mündlich geschehen sein.

2. Ein Darlehensvertrag unter Verwandten muss nicht schriftlich vereinbart worden sein, denn ein Darlehensvertrag kommt grundsätzlich formfrei zustande, das heißt auch mündlich oder konkludent.

3. Zuwendungen Dritter, die eine rechtswidrig vom Jobcenter abgelehnte Bürgergeld-Leistung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustands substituieren und anschließend zurückgezahlt werden sollen, stellen kein Einkommen dar.

4. Erhalten sie einen Geldbetrag von Verwandten – sollte dieser immer auch für den Fall, dass sie gar keinen Anspruch auf ALG 2 haben – mit einer Rückzahlungsvereinbarung versehen sein, auch kleine Zinsen sind nicht unüblich, denn im Falle ihres Anspruchs erfolgt die Nachzahlung, welche auch die Zinsen für die Zuwendung enthalten muss – Gegebenenfalls muss das Jobcenter auch die Zinsen des Darlehensvertrages bezahlen ( dazu BSG Urteil vom 17.6.2010 – B 14 AS 58/09 R – ).