BAG: öffentliche Arbeitgeber trotz Bewerberhinweises in der Pflicht
Erfurt (jur). Auf die Pflicht öffentlicher Arbeitgeber zur Einladung schwerbehinderter Stellenbewerber kann nicht verzichtet werden. Selbst wenn eine schwerbehinderte Bewerberin erklärt, dass eine Einladung nur Sinn macht, wenn sie in die engere Bewerberauswahl kommt, ist der Arbeitgeber nicht von der Pflicht zur Einladung befreit, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Dienstag, 23. März 2021, veröffentlichten Urteil (Az.: 8 AZR 59/20). Eine unterbliebene Einladung einer grundsätzlich fachlich geeigneten Bewerberin sei daher auch dann ein Indiz für eine entschädigungspflichtige Diskriminierung wegen der Behinderung.
Absage ohne Vorstellungsgespräch
Konkret ging es um eine schwerbehinderte Frau aus Baden-Württemberg, die sich auf eine Stelle als Sachbearbeiterin in einem Jugendamt beworben hatte. In ihrem Bewerbungsschreiben wies die Frau auf ihr Alter von 54 Jahren sowie auf ihre Schwerbehinderung hin. Sie würde sich auf ein persönliches Gespräch sehr freuen. Allerdings erklärte sie dann: „Bitte laden Sie mich nur dann zu einem Vorstellungsgespräch ein, wenn Sie mich in die engere Wahl nehmen, alles andere macht meines Erachtens wenig Sinn.
Der Arbeitgeber erteilte ihr eine Absage, ohne sie zum Vorstellungsgespräch einzuladen.
Forderung nach Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Daraufhin fühlte sich die Bewerberin wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert. Sie verlangte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Der öffentliche Arbeitgeber lehnte diese ab. Zum einen habe die Frau nicht ausreichend auf ihre Schwerbehinderung hingewiesen. Sie habe versäumt, den Grad der Behinderung (GdB) zu nennen oder eine Kopie ihres Schwerbehindertenausweises beizulegen. Zum anderen habe sie auf die Einladung zum Vorstellungsgespräch verzichtet.
Gericht spricht Entschädigungszahlung zu
Doch mit Urteil vom 26. November 2020 sprach das BAG der Klägerin eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 3.581 Euro zu. Es liege wegen der unterbliebenen Einladung zum Vorstellungsgespräch ein Indiz für eine Diskriminierung aufgrund der Behinderung vor.
Öffentliche Arbeitgeber seien nach dem Gesetz verpflichtet, fachlich grundsätzlich geeignete Bewerberinnen und Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen, damit diese die Chance erhalten, den Arbeitgeber von ihrer Eignung zu überzeugen.
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Auf diese gesetzliche Pflicht könne nicht verzichtet werden. Selbst ein Stellenbewerber habe hierzu kein individuelles Recht. Hier habe die Stellenbewerberin in ihrem Bewerbungsschreiben zudem zum Ausdruck gebracht, sehr gerne zum persönlichen Gespräch eingeladen zu werden, auch wenn sie dies später nur im Fall einer engeren Auswahl wünschte. Ein Verzicht auf das Gespräch sei dies nicht.
Schließlich habe die Klägerin in ihrem Bewerbungsschreiben auch nicht ihren GdB dem Arbeitgeber mitteilen oder ihm eine Kopie ihres Schwerbehindertenausweises übersenden müssen. Es reiche allein die Mitteilung über das Bestehen einer Schwerbehinderung aus. Müsste der GdB mitgeteilt werden, bestehe die Befürchtung, dass schwerbehinderte Menschen mit einem hohen Grad von vornherein absehen, über ihre Schwerbehinderung zu informieren. Damit würden bestehende Verfahrens- und Förderpflichten des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren gar nicht erst ausgelöst. fle/mwo
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