Unterkunftskostenpauschale der Sozialhilfe bei mietfreiem Wohnen

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Leben behinderte und erwerbsgeminderte erwachsene Sozialhilfebezieher mietfrei im Haus ihrer Eltern, kรถnnen sie eine Pauschale fรผr Unterkunftskosten geltend machen. Der Sozialhilfetrรคger darf diese nicht mit dem Argument verweigern, dass nur die tatsรคchlich angefallenen Kosten der Unterkunft รผbernommen werden, urteilte am 23. Mรคrz 2021 das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 8 SO 14/19 R). Dass die Eltern ihr Wohneigentum bereits abbezahlt haben und die tatsรคchlichen Kosten daher besonders niedrig sind, stehe dem Erhalt einer hรถheren Unterkunftskostenpauschale nicht entgegen.

Im Streitfall ging es um einen in einer Werkstatt fรผr behinderten Menschen tรคtigen Mann, der mietfrei in einem 30 Quadratmeter groรŸen Zimmer bei seinen Eltern in Stuttgart lebt. Ein Mietvertrag bestand nicht. รœber wesentliche Einkรผnfte verfรผgt der autistische Mann nicht, er ist daher auf Sozialhilfeleistungen angewiesen.

Antragsteller forderte pauschale รœbernahme der Unterkunftskosten

Von der Stadt Stuttgart verlangte er ab Juli 2017 fรผr seine Unterkunft, die im Wohneigentum der Eltern steht, die รœbernahme pauschaler Unterkunftskosten. Er verwies dabei auf eine gesetzliche Neuregelung.

Die Kommune lehnte dies ab. Nach dem Bedarfsdeckungsgrundsatz kรถnnten Sozialhilfeleistungen nur fรผr den tatsรคchlich angefallenen Bedarf gewรคhrt werden. Dies seien hier 19,40 Euro monatlich. Er lebe ja mietfrei bei seinen Eltern. Das Wohneigentum der Eltern sei auch mittlerweile abbezahlt, so dass auch hier keine weiteren zu berรผcksichtigenden Unterkunftskosten anfielen.

Die Kommune verwies zudem auf ein Urteil des BSG vom 14. April. 2011 (Az.: B 8 SO 18/09 R). Die obersten Sozialrichter hรคtten darin ebenfalls betont, dass nur die tatsรคchlich angefallenen Unterkunftskosten von der Sozialhilfe zu รผbernehmen seien.

Nach Angaben von Volker Rieger, Anwalt des Klรคgers im aktuellen Rechtsstreit, war eine Folge des BSG-Urteils, dass viele Familienmitglieder nun Mietvertrรคge mit ihren behinderten Angehรถrigen schlossen, um so Mietaufwendungen belegen zu kรถnnen. Gerichte hรคtten diese aber immer wieder als Scheinvertrรคge gekippt.

Als Reaktion auf das BSG-Urteil hatte der Gesetzgeber die รœbernahme der Unterkunftskosten 2017 neu geregelt. Danach wird nicht mehr vorgeschrieben, dass erwerbsgeminderte oder in Grundsicherung im Alter befindliche Menschen bei einem mietfreien Wohnen bei nahen Angehรถrigen nur die โ€žtatsรคchlichen” Unterkunftskosten von der Sozialhilfe erstattet bekommen.

BSG: Behinderter Klรคger kann Pauschale fรผr Wohnen bei Eltern fordern

Im aktuellen Fall sprach das Sozialgericht Stuttgart daher dem autistischen Klรคger eine Unterkunftskostenpauschale von monatlich 109,93 Euro zu.

Dies bestรคtigte nun auch das BSG. Die Stadt Stuttgart sei verpflichtet, dem Klรคger die vom Sozialgericht bestimmten pauschalen fiktiven Unterkunftskosten zu zahlen.

Der Gesetzgeber habe fรผr erwerbsgeminderte und fรผr bedรผrftige alte Menschen eine Unterkunftskostenpauschale vorgesehen, wenn diese mietfrei bei nahen Angehรถrigen leben. Die Pauschale diene hier der Verwaltungsvereinfachung. โ€žUnabhรคngig von tatsรคchlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten ist dabei ausschlieรŸlich auf die nominale Differenz der abstrakten Angemessenheitsgrenzen fรผr die Unterkunft maรŸgebend”. Dass im Einzelfall eine Bedarfsรผberdeckung bestehe, โ€žliegt im Wesen der Pauschale”, betonte das BSG. โ€žDass das Hauseigentum abbezahlt ist und die Eltern des Klรคgers selbst keine tatsรคchlichen Aufwendungen haben, ist (daher) ohne Bedeutung.”

Konkret bedeutet dies laut Anwalt Rieger fรผr den bei den Eltern wohnenden Klรคger, dass zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zunรคchst die Differenz zwischen der Obergrenze der angemessenen Mietkosten fรผr einen Drei-Personen-Haushalt in Stuttgart und der eines Zwei-Personen-Haushalts bestimmt werden muss. Der Differenzbetrag ergebe dann die pauschalen Unterkunftskosten fรผr den Klรคger. Die Heiz- und Betriebskosten mรผssten gesondert berechnet werden, abhรคngig von der errechneten Unterkunftskostenpauschale und den tatsรคchlich angefallenen Heizkosten. fle/mwo