Wer schon lange eine Erwerbsminderungsrente bezieht, wird finanziell schlechter gestellt als diejenigen, die erst vor wenigen Jahren in die Rente eingetreten sind. Betroffene โAltrentnerโ halten diese Ungleichbehandlung ebenso fรผr ungerecht wie die Sozialverbรคnde VdK und SoVD und sind deshalb vor Gericht gezogen. Nun sind ihre Klagen auch vor der hรถchsten Instanz – dem Bundesverfassungsgericht – gescheitert.
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Worum geht es?
Der Anteil der neuen Erwerbsminderungsrenten pro Jahr liegt im Schnitt zwischen rund 16 und 18 Porzent aller Neurenten, und darin sind die zahlreichen Antrรคge nicht enthalten, die abgelehnt wurden. 2021 wurden allein 352.000 Antrรคge auf eine Erwerbsminderungsrente gestellt und davon 175.000 nicht angenommen. Erwerbsgeminderte machen also einen erheblichen Teil der Rentner und Rentnerinnen insgesamt aus.
Seit 2014 verbesserte sich nach starkem Druck der Betroffenen und der Sozialverbรคnde schrittweise die finanzielle Lage der Betroffenen. Erwerbsgeminderte befanden und befinden sich tendenziell in der gefรคhrlichen Situation, dass bei Eintritt der Altersrente ihre Arbeitszeit so kurz war, dass die Hรถhe der Rente massiv sinkt.
Ausweitung der Zurechnungszeiten
Die Rentenversicherung berรผcksichtigt diese Schieflage durch die sogenannten Zurechnungszeiten. Mit diesen werden Jahre, in denen die Betroffenen Erwerbsminderungsrente bezogen, berechnet, als hรคtten sie gearbeitet. 2014 wurden diese Zurechnunsgzeiten um zwei Jahre auf das vollendete 62. Lebensjahr ausgeweitet, 2019 dann auf 65 Jahre und 8 Monate, bis 2030 soll dann eine Erhรถhung auf das Alter von 67 Jahren stattfinden.
Ungleichbehandlung der Rentner
Das Problem bei diesen Verbesserungen war aber, dass sie nur fรผr diejenigen galten, die neu in die Erwerbsminderungsrente eintraten, nicht aber fรผr die, die sich bereits lange in ihr befanden. Erst 2022 wurden diese Unterschiede in der Hรถhe zwischen Neu- und Altfรคllen der Erwerbsminderungsrente zum Teil gemindert โ jedoch sind beide nach wie vor nicht gleichgestellt.
Was รคndert sich?
Ab dem 1. Juli 2024 gibt es einen pauschalen prozentualen Zuschlag. Dieser betrรคgt bei den Bestandsrentnern, deren Erwerbsminderung zwischen dem 1.1.2001 und dem 31.12.2018 eintrat, 7,5 Prozent fรผr die Alt- und um 4,5 Prozent fรผr die Neufรคlle.
Viel zu wenig
Die Sozialverbรคnde VdK und SoVD halten diese Zuschlรคge fรผr viel zu gering und fordern mindestens doppelt so hohe Summen, um eine Gleichbehandlung zu ermรถglichen. Sie unterstรผtzten deshalb Altrentner, die vor Gericht klagten. Diese verlangten, dass die verlรคngerten Zurechnungszeiten auch bei ihren Renten berรผcksichtigt werden.
Wie entschied das Bundessozialgericht?
Das hรถchste deutsche Sozialgericht entschied am 10. November 2022 dagegen: โRentner, deren Erwerbsminderungsrente bereits vor dem 1. Januar 2019 begann, haben keinen Anspruch auf eine Neuberechnung ihrer Rente nach den inzwischen geltenden, deutlich gรผnstigeren Regelungen. Sie kรถnnen nicht verlangen, dass bei ihrer Rente Zurechnungszeiten in demselben Umfang berรผcksichtigt werden, wie das bei den ab 2018 und vor allem bei den ab 2019 neu bewilligten Renten geschieht.โ
Was sagt das Bundesverfassungsgericht?
Die Sozialverbรคnde legten gegen das Urteil des Bundessozialgerichts daraufhin eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Das Bundesverfassungsgericht lehnte am 12.6.2023 ab, diese Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen. Die Begrรผndung lautet, der Gesetzgeber kรถnne zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einfรผhren. Diese Stichtage wรผrden unvermeidlich gewisse Hรคrten mit sich bringen.
Ungleichbehandlung besteht weiter
Fรผr die Betroffenen bedeutet das. Vom Verfassungsgericht legitimiert werden Bestandsrentner weiter ungleich behandelt, und der Gesetzgeber ist nicht aufgefordert, diese Ungleichbehandlung zu beenden. Die erhebliche finanzielle Benachteiligung der Altfรคlle wird lediglich ein wenig gemildert, bleibt aber weiterhin bestehen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universitรคt Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen fรผr ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.