Umgangsrecht: Ein manipulierter Kindeswille zählt nicht

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BGH betont Kontinuität beim Aufenthaltsbestimmungsrecht

Alleinerziehende und ihre Kinder sollen sich auf eine stabile Gemeinschaft einstellen können. Nach zwei am Montag, 30. Dezember 2019, veröffentlichten Beschlüssen des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe spricht sogar der deutlich geäußerte Wille des Kindes nicht für einen Wechsel zum anderen Elternteil und auch nicht für eine gleichberechtigte Betreuung im sogenannten Wechselmodell, wenn dieser Kindeswille maßgeblich von dem anderen Elternteil beeinflusst ist (Az.: XII ZB 511/18 und XII ZB 512/18, beide vom 27. November 2019).

Im konkreten Fall streiten ein heute 59-jähriger Bürokaufmann und seine 27 Jahre jüngere Ex-Frau, eine aus der Dominikanischen Republik stammende Krankenpflegerin, um ihre drei heute zehn beziehungsweise elf Jahre alten Kinder. Nach der Trennung 2013 war die Mutter aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen. Die Familiengerichte übertrugen ihr auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht, so dass die Kinder seitdem bei ihr wohnen.

Der Vater beantragte 2016, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf ihn zu übertragen, so dass er die Kinder zu sich nehmen kann. Hilfsweise strebt er eine Betreuung zu gleichen Teilen im sogenannten Wechselmodell an.

Der BGH bekräftigte nun, dass bei solchen Fragen der Wille der Kinder eine wichtige Rolle spielen kann. Kinder, die 14 Jahre oder älter sind, seien von den Familiengerichten daher grundsätzlich anzuhören. „Der Kindeswille ist aber nur insoweit zu berücksichtigen, als er dem Kindeswohl entspricht.”

Hier hatte das Amtsgericht die Kinder auch angehört, und sie hatten sich für einen Wechsel zum Vater ausgesprochen. Gutachter hatten aber festgestellt, dass dies maßgeblich auf die über Jahre andauernde Beeinflussung durch den Vater zurückgeht.

Hierzu heißt es nun in einem der Leitsätze des BSG: „Die Abänderung einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil ist trotz eines auf den Wechsel in den Haushalt des anderen Elternteils gerichteten Kindeswillens nicht gerechtfertigt, wenn der Kindeswille nicht autonom gebildet ist und sonstige Belange des Kindeswohls entgegenstehen.”

Der Gesetzgeber habe eine sichere und kontinuierliche Bindung zwischen dem überwiegend erziehenden Elternteil und den Kindern gewährleisten wollen, betonten die Karlsruher Richter. Eine Änderung sei daher nur gerechtfertigt, „wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist”.

Nachteilig wirke es sich auf die Kinder aus, „wenn sie von einem Elternteil – bewusst oder unbewusst – unter ‚Koalitionsdruck’ gesetzt und sie dadurch in Loyalitätskonflikte gebracht werden”. Dies sei hier durch den Vater offenbar geschehen.

Zudem spreche hier die bessere Erziehungskompetenz der Mutter gegen einen Wechsel. Der Vater beschäftige sich zwar intensiv mit den Kindern und könne in dem ehemaligen Familienheim auch gute Spielmöglichkeiten bieten. Anders als die Mutter sei er nach den vorliegenden Gutachten aber kaum in der Lage, den älter werdenden Kindern Grenzen zu setzen und gleichzeitig die für ihre Entwicklung notwendigen Freiräume zu geben sowie eigene Bedürfnisse hintanzustellen.

Nach dem zweiten Karlsruher Urteil sind bei Fragen des Umgangsrechts die Hürden für eine Änderung weniger hoch. Das gelte auch für die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells. Auch hier sei aber der Wille des Kindes „nicht ausschlaggebend, wenn dieser maßgeblich vom das Wechselmodell anstrebenden Elternteil beeinflusst ist”.

Weiter betonte der BGH, dass ein Wechselmodell nur gelingen kann, wenn beide Eltern zur Kooperation bereit und in der Lage sind. „Dementsprechend sollten beide Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und erkannt haben, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf.” Je mehr Konflikte es zwischen den Eltern gebe, desto weniger werde in der Regel das Wechselmodell dem Kindeswohl entsprechen.

Nach den in den Vorinstanzen eingeholten Sachverständigengutachten sei hier der Vater offenbar nicht bereit, die Bindung seiner Kinder auch zur Mutter zu akzeptieren. Oft habe er die Kinder nicht zur vereinbarten Zeit zurückgebracht. Die Übergabe habe er dann gefilmt, anstatt seine Kinder in ihrer Konfliktsituation zu unterstützen.

„Damit fehlt es jedenfalls derzeit an der für ein Wechselmodell erforderlichen hinreichenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern”, befand wie schon die Vorinstanzen nun auch der BGH. mwo