Sozialhilfe: Sozialamt muss unangemessene Friedhofsgebühren zahlen – Urteil

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Das Sozialamt darf für die Übernahme von Bestattungskosten deren Erforderlichkeit nicht allein anhand pauschalierend begrenzender Vergütungssätze bestimmen, wenn die tatsächlichen Kosten höher sind (BSG, Urt. v. 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R -)

Die Träger der Sozialhilfe müssen Bestattungskosten nicht in unbegrenzter Höhe übernehmen, wenn der Verstorbene dies zu seinen Lebzeiten mit dem Bestattungsunternehmen vereinbart hat.

Die vom Erblasser vertraglich eingegangenen Verbindlichkeiten stellen Erbfallschulden dar und sind damit als Nachlassverbindlichkeiten gem. §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB von den Erben zu übernehmen, sodass dann für den Sozialhilfeträger keine Kosten anfallen.

Etwas anderes gilt aber, wenn der Nachlass überschuldet und die Erbschaft ausgeschlagen wurde, denn entfällt die Verpflichtung zu Übernahme evtl. unangemessener vom Erblasser eingegangener Verbindlichkeiten durch die Erben.

Den Bestattungspflichtigen, der nicht als Erbe, sondern allein aufgrund landesrechtlicher Vorschriften zur Bestattung verpflichtet ist, treffen Verbindlichkeiten, die der Erblasser eingegangen ist, nicht.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass das Sozialamt durch die von der Erblasserin (verstorbene Mutter) eingegangene vertragliche Konstruktion die eigentlichen Beerdigungskosten eingespart hat, und nur die Friedhofsgebühren nicht vollständig gedeckt sind (Orientierungssatz Sozialrechtsexperte Detlef Brock)

Begründung:

Keine vorrangige Inanspruchnahme der Verwandten

Ein Hilfebedürftiger, welcher Rente wegen voller Erwerbsminderung und ergänzend Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bezieht ist, kann nicht auf eine vorrangige Inanspruchnahme der Verwandten verwiesen werden.

Hilfebedürftigem ist längerer Prozess nicht zumutbar

Wenn ein etwaiger Ausgleichsanspruch zweifelhaft ist und sogar dessen gerichtliche Durchsetzung erforderlich ist, weil das Sozialamt die Übernahme der Kosten bereits abgelehnt hat, oder mit derartigen Unwägbarkeiten verbunden, dass ein Erfolg unsicher ist, kann es dem Bestattungspflichtigen nicht zugemutet werden, sich auf einen langwierigen Prozess mit ungewissem Ausgang einzulassen.

Denkbare Forderungen des Bestattungspflichtigen sind kein bereites Vermögen

Bei den Forderungen des Bestattungspflichtigen handelt es sich dann nicht um bereites Vermögen, durch dessen Einsatz er sich iS des § 2 Abs. 1 SGB XII selbst helfen kann.

Der Sozialhilfeträger erleidet hierdurch keinen unverhältnismäßigen Nachteil, denn er hat die Möglichkeit, den behaupteten Ausgleichsanspruch auf sich nach § 93 SGB XII überzuleiten.

Er trägt dann allerdings das Prozessrisiko, das dem Bestattungspflichtigen im Rahmen der Zumutbarkeit iS von § 74 SGB XII nicht auferlegt werden darf (BSG Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R).

Verwandte wurden vom Antragsteller angeschrieben – keine Kenntnis, ob die mit ihm verwandt sind

Der Antragsteller gab bekannt über dem Gericht, dass er die genannten Personen nicht näher kennt und teilweise nicht weiß, ob diese überhaupt mit ihm bzw. seiner Mutter verwandt sind.

Der Leistungsempfänger kann nicht darauf verwiesen werden, dass die Gebührenforderung durch die Lebensversicherung seiner verstorbenen Mutter hätte gedeckt werden können

Ein Verweis darauf, dass die Gebührenforderung durch die Lebensversicherung hätte gedeckt werden können, wenn eine Bestattung gewählt worden wäre, die den ordnungsbehördlichen Sätzen für Sozialbestattungen entspricht, ist nicht statthaft.

Nach der Rechtsprechung des BSG gilt ein Verbot pauschaler Leistungsbegrenzung

Gegen das Verbot pauschaler Leistungsbegrenzung wird nach der Rechtsprechung des BSG verstoßen, wenn bei der Prüfung der Erforderlichkeit iSd § 74 SGB XII Vergütungssätze, die aus ordnungsrechtlich veranlassten Beerdigungen und vertraglichen Regelungen mit Bestattungsunternehmen resultieren, zugrunde gelegt werden.

§ 74 SGB XII stellt ausdrücklich – ohne Pauschalierungsmöglichkeit – auf eine individuelle Berechnung ab ( Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R) .

Der Antragsteller kann somit die offene Gebühr vom Sozialamt fordern.

§ 74 SGB XII soll aber nur eine angemessene Bestattung garantieren

Der Sozialstaat soll sozialhilferechtlich nur für eine würdige Bestattung aufkommen müssen. Hierfür sind die ortsüblichen Preise für Beerdigungen im unteren bis mittleren Einkommenssegment zu ermitteln.

Dem Antragsteller kann keine umfassende Prüfungspflicht der Kosten des Bestattungsunternehmens abverlangt werden

Denn nach der Rechtsprechung des BSG ist zu berücksichtigen, dass dem Bestattungspflichtigen im Hinblick auf die ihm üblicherweise zur Verfügung stehende nur kurze Zeit und die besondere Belastungssituation keine umfassende Prüfungspflicht abverlangt werden kann, welches der vor Ort oder im erweiterten Umkreis ansässigen Bestattungsunternehmen die günstigsten Bedingungen bieten kann.

Es müssen alle Kostenansätze akzeptiert werden, die sich nicht außerhalb der Bandbreite eines wettbewerbsrechtlich orientierten Marktpreises bewegen (BSG Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R).

Der Sohn, als Antragsteller begehrt – nicht die eigentlichen Beerdigungskosten, sondern die noch nicht aus der Lebensversicherung beglichene Bestattungsgebühr für ein einfaches Reihengrab einer Erdbestattung. Es handelt sich hierbei um ihn treffende – erforderliche Kosten – iSd § 74 SGB XII.

Vom Sohn wurden die eigentlichen Bestattungskosten nicht veranlasst, sondern zu Lebzeiten von seiner Mutter mit Vertrag beim Bestattungsunternehmer.

Die eigentlichen Bestattungskosten für die Leistung des Beerdigungsunternehmens mit einer Bestattung im Eichensarg und Verwendung einer teureren Innenauskleidung, wurden vom Sohn nicht veranlasst, da seine Mutter den entsprechenden Vertrag mit dem Beerdigungsunternehmen verbindlich abgeschlossen hatte.

Die Art und Weise der Bestattung wurden durch die Verstorbene als Vertragspartnerin des Beerdigungsunternehmens festgelegt.

Das der Sohn beim Sozialhilfeträger die Friedhofsgebühren beantragt hat, ändert nichts daran, dass zu Lebzeiten seine Mutter den Vertrag mit dem Bestattungsunternehmen vertraglich fest gelegt hatte und somit das Sozialamt die REST – Kosten übernehmen muss.

Träger der Sozialhilfe müssen Bestattungskosten – nicht – in unbegrenzter Höhe übernehmen

Vor allem dann nicht, wenn der Verstorbene dies zu seinen Lebzeiten mit dem Bestattungsunternehmen vereinbart hat.

Aber die vom Erblasser ( verst. Mutter ) eingegangenen Verbindlichkeiten stellen Erbfallschulden dar und sind damit als Nachlassverbindlichkeiten gem. §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB von den Erben zu übernehmen, sodass dann für den Sozialhilfeträger – keine Kosten anfallen.

Ist der Nachlass aber überschuldet und wurde die Erbschaft ausgeschlagen, besteht – keine Verpflichtung zu Übernahme evtl. unangemessener vom Erblasser eingegangener Verbindlichkeiten

Hier hatte der Sohn die überschuldete Erbschaft seiner Mutter ausgeschlagen, so dass ihm keine Nachlassverbindlichkeiten trafen.

Fazit

Den Bestattungspflichtigen, der nicht als Erbe, sondern allein aufgrund landesrechtlicher Vorschriften zur Bestattung verpflichtet ist, treffen Verbindlichkeiten, die der Erblasser eingegangen ist, nicht.

Außerdem hat das Sozialamt hier durch die von der verstorbenen Mutter eingegangene vertragliche Konstruktion die eigentlichen Beerdigungskosten eingespart, und nur die Friedhofsgebühren teilweise erstatten müssen.

Das Sozialamt darf für die Übernahme von Bestattungskosten deren Erforderlichkeit nicht allein anhand pauschalierend begrenzender Vergütungssätze bestimmen, wenn die tatsächlichen Kosten höher sind ( BSG, Urt. v. 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R – ).

Gegen das Verbot pauschaler Leistungsbegrenzung wird nach der Rechtsprechung des BSG verstoßen, wenn bei der Prüfung der Erforderlichkeit iSd § 74 SGB XII Vergütungssätze, die aus ordnungsrechtlich veranlassten Beerdigungen und vertraglichen Regelungen mit Bestattungsunternehmen resultieren, zugrunde gelegt werden.

Was sollten Angehörige wissen – Was müssen Bestattungspflichtige wissen, aber auch beachten

Vor allem eins: Angehörige von Verstorbenen oder Bestattungspflichtige sollten und müssen wissen, dass das

Das Sozialamt eine Beratungsfunktion hat

1. Empfehlenswert ist – das der Bestattungspflichtige sich vor der Eingehung von Verpflichtungen beim zuständigen Sozialhilfeträger darüber beraten lässt, was einer würdigen Bestattung entspricht und welche dafür anfallenden Kosten ggf als erforderlich anerkannt werden können.

2. Eine Beratungspflicht (§ 11 Abs 1 und 2 SGB XII) besteht regelmäßig nicht von Amts wegen, wenn nicht Anlass für eine sog Spontanberatung besteht

Jedoch hat der zuständige Sozialhilfeträger den potentiellen Leistungsempfänger dann ausführlich und umfassend zu beraten, wenn dieser um entsprechenden Rat nachsucht!!

Das Sozialamt muss die tatsächlichen Kosten tragen für die Bestattung, wenn es dieser Funktion nicht in ausreichendem Ausmaße nachgekommen ist

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss das Sozialamt die tatsächlichen Beerdigungskosten übernehmen, wenn z. Bsp. das Sozialamt seinen Verpflichtungen, die ihm auch gegenüber von Bürgergeldempfängern trotz deren Bezugs von Alg II unter Berücksichtigung des § 21 Satz 1 SGB XII obliegen, nicht bzw nicht ausreichend nachgekommen.

Kommt das Sozialamt nicht in ausreichendem Ausmaße seiner Beraterfunktion nach, muss es die tatsächlichen kosten der Beerdigung tragen ( BSG, Urt. v. 25.8.2011 – B 8 SO 20/10 R – Rz. 23 ).

Rechtstipp vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Sozialamt muss Bestattungskosten zahlen, wenn durch die Betreuerin einer Hilfebedürftigen die überschuldete Erbschaft wirksam ausgeschlagen wurde.