Rotstift wird angesetzt: 5,5 Milliarden Euro weniger fürs Bürgergeld

Lesedauer 3 Minuten

Maurice Höfgen rechnete die Pläne der Bundesregierung nach. Im nächsten  Jahr will die Ampel-Koalition 5,5 Millionen Euro beim Bürgergeld einsparen. Allerdings scheinen die Pläne unrealistisch und nicht umsetzbar.

44,95 Milliarden statt 50,5 Milliarden

Höfgen erläutert: “Statt 50,5 Milliarden sollen 2025 nur noch 44,95 Milliarden Euro ausgegeben werden, ein Minus von elf Prozent.

Konkret soll in folgenden Bereichen gespart werden: 600 Millionen Euro weniger für die Kosten der Unterkunft, 4,7 Milliarden weniger für Bürgergeld-Leistungen und 415 Millionen Euro weniger für Eingliederungsmaßnahmen.”

Wie sieht die Realität aus?

Wer sich mit dem sozialen Alltag von Menschen beschäftigt, die Bürgergeld beziehen müssen, weiß, dass diese in einem ständigen Kampf stecken, auch nur die nötigsten Kosten zu decken. Aber selbst abgesehen von diesem materiellen Elend – rechtfertigt die Konjunktur das Sparen an dieser Sozialleistung?

Im Juni 2025 stellte die Bundesagentur für Arbeit fest, dass die Arbeitslosigkeit steigt und die Entwicklung weiter ungünstig ist. Höfegn fasst zusammen: “Im Vergleich zum Vorjahr gibt es 172.000 mehr Arbeitslose, dazu kommen 242.000 Beschäftigte in Kurzarbeit. Auch gibt es immer weniger offene Stellen.

Das Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) geht im ersten Quartal 2024 von 1,57 Millionen offenen Stellen aus. Zum Vergleich: ein Jahr vorher waren es noch 1,75 Millionen, im letzten Quartal 2022 sogar 1,98 Millionen. Sofort zu besetzen sind derzeit sogar nur 1,24 Millionen Stellen.”

Sparmaßnahmen bei einer Behörde wären folgerichtig, wenn die Ausgaben und Aufgaben dieser Einrichtung weniger würden – und nicht mehr. Bei den Jobcentern ist voraussichtlich das Gegenteil der Fall, so Höfgen: “Mehr Arbeitslose, weniger Jobs: Das allein macht die Sparpläne unrealistisch. Da stellt sich die Frage: Plant die Ampel vielleicht, das Geld durch die schärferen Sanktionen einzusparen?”

Zu wenig Personal, nicht zu viel

Mitarbeiter von Jobcentern und Gewerkschaften läuten seit Monaten die Alarmglocken. Jobcenter-Mitarbeiter müssen ständig mehr und komplexere Aufgaben bewältigen, ohne dass dafür nötige Stellen geschaffen und neue Beschäftigte ausgebildet werden.

Bereits Ende 2023 warnte die stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft Ver:di, dass die Bundesagentur für Arbeit kollabiere. Die Situation der Beschäftigten in den Agenturen und Jobcentern sei dramatisch, so die Gewerkschaft.

Die Jobcenter brauchen also mehr und besser qualifiziertes Personal, mehr Finanzierung, und nicht weniger. Zusätzliche Einsparungen von mehreren Milliarden eignen sich bestens, einer Behörde, die, laut Ver:di, bereits Ende 2023 kurz vor dem Kollaps stand, den Todesstoß zu geben.

Einsparen durch Schikanen?

Höfgen stellt die Frage, ob die Verschlechterungen der Situation für Leistungsbezieher durch Verschärfungen der Bürgergeld-Regelungen Einsparungen bringen sollen und können. Er vermerkt:
“Im Jahr 2023 gab es 191.000 Kürzungen wegen „Meldeversäumnissen“ (Termin verpasst) und 35.000 Kürzungen wegen „Pflichtverletzungen“ (Job verweigert). (…) Betroffen waren davon wohlgemerkt nur 130.000 von 5,5 Millionen Bürgergeldempfängern, (…). Sogenannte Totalverweigerer gab es nur 16.000.”

Mit den neuen Verschärfungen würden diese Kürzungen der Staatskasse 50 Millionen Euro verschaffen. Er schließt: “Um also 4,7 Milliarden Euro durch Sanktionen einzusparen, bräuchte es 94-mal so viele davon. Wie gesagt: unrealistisch.”

Verschärfungen brauchen Personal

Statt Geld zu sparen, kostet der bürokratische Aufwand für die Verschärfungen zusätzlich.

Um nämlich zum Beispiel eine monatliche Meldepflicht auch durchzusetzen, braucht es Mitarbeiter für diese Pflichttermine. Die seit langem und immer mehr hoffnunsglos überforderten Beschäftigten werden das nicht schaffen, ohne, in den Worten von Ver:di “zu kollabieren”.

Höfgen zitiert Jana Sieberg, die zweite Vorsitzende der Jobcenter-Personalräte: „Wir können aber auch nicht mehr Personal einstellen. Wenn in den Jobcentern gespart wird, geht dies zu Lasten der sozial Schwächsten.”

Kürzungen besonders bei der Integration in den Arbeitsmarkt

Höfgen zeigt, dass die Sparmaßnahmen besonders die Integration Arbeitsuchender in den Arbeitsmarkt verhindern, also das, wozu das Jobcenter im Kern da ist.

Er schreibt: “Das beste Beispiel: die 415-Millionen-Kürzung bei Eingliederungsmaßnahmen. Die Jobcenter haben 2025 weniger Geld für Coachings, Betreuung und Qualifizierung.”

Und das trifft genau die, die ohne solche Unterstützung keine Arbeit finden können, zum Beispiel, so Höfgen, die “Langzeitarbeitslosen, die etwa einen Stapler-Führerschein und Hilfe bei der Suche nach einer Kinderbetreuung benötigen, ohne die sie keine Arbeit aufnehmen können.”

Weniger Budget bei steigender Arbeitslosigkeit

Höfgens Fazit: “Wie also überlastete Jobcenter bei lahmender Konjunktur zukünftig Arbeitslose mit weniger Budget für Maßnahmen in einen Arbeitsmarkt mit weniger offenen Stellen und steigender Arbeitslosigkeit vermitteln sollen, bleibt das große Geheimnis der Ampel.”

Sparen bis zum Kollaps?

Werden wir also sehen, wie die Jobcenter 2025 durch die Sparmaßnahmen kollabieren und selbst elementare Aufgaben nicht mehr erfüllen können? Wahrscheinlicher ist, so Höfgen, dass klammheimlich doch noch andere Töpfe angezapft werden, um die ganz realen Löcher zu stopfen.

Eins aber ist klar: In jedem Fall gehen diese Absurditäten zu Lasten der Leistungsberechtigten, die gerade so am Existenzminimum überleben, und die in ihrem Verzweiflungskampf, einen dauerhaften Job im regulären Arbeitsmarkt zu finden, noch mehr Verluste erleiden.