Sozialhilfe: Sozialamt muss Mutter volle Mietkosten gewähren trotz Leistungsversagung für die Tochter

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Der Sozialhilfeträger muss einer aufstockenden Bezieherin von Leistungen der Sozialhilfe die vollen Mietkosten zahlen, weil der in ihrem Haushalt lebenden, volljährigen SGB II beziehenden Tochter die Leistungen versagt wurden aufgrund fehlender Mitwirkung.

Eine Abweichung vom Kopfteil Prinzip ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann gegeben, wenn Leistungen nach dem SGB II, die die Tochter in der Vergangenheit erhalten hat, wegen fehlender Mitwirkung der Tochter bei der Aufklärung ihrer Erwerbsfähigkeit nach § 66 Abs. 3 SGB I bis zur Nachholung versagt wurden (SG Hamburg S 20 SO 535/14 ER – unveröffentlicht).

Kurzbegründung des Gerichts

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind bei der Berechnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes die Mietkosten – grundsätzlich – nach sogenannten Kopfteilen auf die in der Wohnung lebenden Personen zu verteilen.

Nach BSG Rechtsprechung gilt: Abweichung vom Kopf Teilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen

Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip ist also aus bedarfsbezogenen Gründen möglich, wenn nur so ein menschenwürdiges Existenzminimum der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gewährleistet werden kann.

Von dem Kopfteil Prinzip kann aus bedarfsbezogenen Gründen abzuweichen sein, etwa wenn ein volljähriges Mitglied der Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion keine Leistungen nach dem SGB 2 erhält.

Weil andernfalls bei den restlichen Familienmitgliedern eine Bedarfsunterdeckung entstünde, da die Kosten der Unterkunft nicht gedeckt werden ( vgl. BSG – B 4 AS 67712 – ).

Ein Antrag der Tochter auf Leistungen nach dem SGB XII wurde unter Hinweis darauf abgelehnt, dass sie bis zur Feststellung von Erwerbsunfähigkeit zum Rechtskreis des SGB II gehöre.

Nach Ansicht der Richter kann die Mutter kann nicht darauf verwiesen werden, den von der Tochter entfallenden Mietanteil von dieser zu verlangen. Der Mutter wurden die vollen Mietkosten zugesprochen.

Diese Konstellation ist vergleichbar mit derjenigen, die dem BSG mit Urteil vom 23.05.2013 – B 4 AS 67/12 R zugrunde lag.

( Ist die Sanktion gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit dem Wegfall der Leistungen für Unterkunftsaufwendungen verbunden, kann dies eine Abweichung vom „Kopfteilprinzip” und höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft an die weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder rechtfertigen).

Aktueller Praxistipp Sozialrechtsexperte von Tacheles e. V.

Das Jobcenter muss Kindern volle Mietkosten gewähren bei Leistungsversagung für die Eltern aufgrund ungenehmigter Ortsabwesenheit

Kinder unter 15 Jahren haben auch dann einen Anspruch auf Bürgergeld, wenn ihre Eltern unerlaubt ortsabwesend sind und deswegen nach § 7b SGB II kein Bürgergeld erhalten.

Darüber hinaus haben sie einen Anspruch auf Leistungen für die Unterkunft auch in Höhe des auf ihre Eltern entfallenden Unterkunftskostenanteils.

Bürgergeld: Jobcenter muss volle Mietkosten bei unerlaubter Ortsabwesenheit zahlen