Sehbehinderung: Krankenkasse muss Mehrkosten für höherwertige Brille zahlen

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Im Streit um die Erstattung von Mehrkosten für speziell angefertigte Brillengläser in Höhe von 116 Euro wurde nun abschließend vom Bundessozialgericht ein Urteil gefällt. Der Fall betraf einen 2011 geborenen Kläger, der bei der beklagten Krankenkasse familienversichert ist und wegen Fehlsichtigkeit sowie akkommodativem Schielen eine besondere Sehhilfe benötigt.

Worum ging es im Kern des Falls?

Der Kläger litt unter einem akkommodativen Schielen und Fehlsichtigkeit und beantragte bei der Krankenkasse eine Brille mit Bifokal-Kunststoffgläsern. Er wählte dabei hochbrechende Gläser mit einem Index von 1,67, da leichtere Gläser nach seiner Ansicht erforderlich waren, um einen festen Sitz zu gewährleisten und das Verrutschen beim Sport zu verhindern.

Die Krankenkasse bewilligte jedoch nur Kosten in Höhe von 390 Euro und forderte den Kläger auf, die Mehrkosten für höherwertige Gläser selbst zu tragen. Die Entscheidung der Krankenkasse führte schließlich zur Klage und dem Versuch, die Krankenkasse zur vollständigen Kostenübernahme zu verpflichten.

Brechungsindex der Gläser

Ein Punkt des Rechtsstreits betraf den Brechungsindex der Brillengläser. Der Kläger wählte Gläser mit einem Brechungsindex von 1,67, da dieser Index Gläser ermöglicht, die dünner und leichter sind.

Die Entscheidung führte jedoch zu Mehrkosten, die die Krankenkasse nicht bereit war, zu übernehmen.

Die Krankenkasse vertrat allerdings die Ansicht, dass auch ein geringerer Brechungsindex von 1,5 für den therapeutischen Zweck ausreichend sei und die Anforderungen der Hilfsmittel-Richtlinie erfülle.

Der Streit um den Brechungsindex verdeutlicht, wie stark sich technische und wirtschaftliche Abwägungen im Bereich der Hilfsmittelversorgung überschneiden.

Warum wurden die höheren Kosten für die Brillengläser letztendlich genehmigt?

Das Bundessozialgericht in Kassel (AZ: B 3 KR 16/22 R) entschied zugunsten des Klägers, da der Brechungsindex in den Richtlinien der gesetzlichen Krankenkassen für therapeutische Sehhilfen nicht vorgeschrieben ist.

Laut Urteil stehen hochbrechende Gläser ohne Vorgabe eines spezifischen Brechungsindex auch für Minderjährige zur Verfügung, wenn diese therapeutisch notwendig sind.

Dabei wurde festgestellt, dass die Hilfsmittel-Richtlinie nicht für alle denkbaren medizinischen Konstellationen Vorgaben enthält und dass bei akkommodativem Schielen keine spezifischen Einschränkungen zum Brechungsindex bestehen.

Da es sich um eine Versorgung mit therapeutischen Sehhilfen handelte und der Kläger die Mehrkosten im medizinischen Interesse der Behandlung auf sich genommen hatte, sprach das Gericht ihm die Erstattung zu.

Welche gesetzlichen Grundlagen spielten im Urteil eine Rolle?

Im Vordergrund standen insbesondere § 33 SGB V sowie die auf dieser Basis festgelegte Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA). Nach § 33 SGB V haben Versicherte Anspruch auf medizinisch notwendige Sehhilfen, sofern diese im Zusammenhang mit der Behandlung von Krankheiten stehen oder eine Behinderung ausgeglichen werden soll.

Darüber hinaus dürfen gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB V therapeutische Sehhilfen zur Behandlung von Augenerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr ohne spezifische Einschränkungen in Bezug auf den Brechungsindex verordnet werden.

Das Gericht stellte klar, dass der Gesetzgeber bei therapeutischen Sehhilfen keine Beschränkungen zum Brechungsindex vorgesehen hat, wenn ein akkommodatives Schielen besteht.

Wie begründete das Gericht die Notwendigkeit einer selbstbeschafften Brille?

Das Gericht argumentierte, dass eine selbstbeschaffte Brille im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V dann erstattungsfähig ist, wenn die Krankenkasse eine notwendige Leistung zu Unrecht ablehnt und dem Versicherten dadurch Kosten entstehen.

Der Sachleistungsanspruch des Klägers war vorliegend durch das Versorgungsrecht gedeckt.

Demnach stehen Kindern und Jugendlichen therapeutische Hilfsmittel zu, wenn diese für die Behandlung erforderlich sind. Der Kläger hatte sich im Rahmen einer notwendigen Selbstbeschaffung entschieden und war daher berechtigt, die entstandenen Mehrkosten geltend zu machen.

Welche Auswirkungen hat dieses Urteil auf zukünftige Streitfälle?

Dieses Urteil könnte eine weitreichende Bedeutung für andere Versicherte haben, die unter gleichen Bedingungen leiden und die Notwendigkeit einer spezialisierten Versorgung nachweisen können. (Aktenzeichen: B 3 KR 16/22 R)