In diesem verhandelten Fall ging es um die Frage, ob die Klรคgerin, die seit ihrer Kindheit an einem Diabetes mellitus Typ 1 leidet und zudem an einer Hypoglykรคmiewahrnehmungsstรถrung, Polyneuropathie sowie Hypertonie, einen hรถheren GdB als bisher anerkannt bekommen sollte.
Die zustรคndige Behรถrde, setzte den Grad der Behinderung GdB auf 40 fest, wรคhrend die Klรคgerin auf einen GdB von 50 pochte, um eine tatsรคchliche Anerkennung ihrer Behinderung zu erreichen.
Denn ab einem Grad der Behinderung von 50 gilt die Schwerbehinderung, die wesentlich mehr Ausgleiche zubilligt.
In dem verhandelten Fall stellte sich die Frage, inwieweit die Einschrรคnkungen durch den Diabetes und die daraus resultierenden Folgen wie starke Schwankungen des Blutzuckers und nรคchtliche Unterzuckerungen auf den Alltag der Klรคgerin eine Rolle spielten.
Bei der Klรคgerin fรผhrte dies zu hรคufigen Schlafunterbrechungen und erheblichen Konzentrations- und Leistungsbeeintrรคchtigungen im Berufsalltag. Eine solche Stรถrung wird durch die sozialen und beruflichen Barrieren besonders belastend und fรผhrte zu der Forderung nach einem hรถheren GdB.
Behรถrde lehnte GdB 50 ab
Nachdem die Klรคgerin im Jahr 2020 eine Verschlimmerung ihrer gesundheitlichen Situation durch verstรคrkte Unterzuckerungen geltend gemacht hatte, lehnte die Behรถrde eine Anpassung des GdB mit dem Hinweis ab, dass keine wesentlichen รnderungen im Gesundheitszustand vorliegen wรผrden.
In der Folge legte die Klรคgerin Widerspruch ein und verwies auf die starke Beeintrรคchtigung ihres Alltags.
Ein Widerspruchsbescheid bestรคtigte jedoch die Entscheidung des Beklagten. Daraufhin erhob die Klรคgerin Klage vor dem Sozialgericht Cottbus, mit dem Ziel, einen GdB von 50 anerkennen zu lassen, wie es die Versorgungsmedizinischen Grundsรคtze (VMG) fรผr schwer regulierbare Stoffwechsellagen vorsehen.
Welche Rolle spielten die medizinischen Gutachten?
Im Verlauf des Verfahrens vor dem Sozialgericht Cottbus wurden verschiedene medizinische Gutachten eingeholt, um die gesundheitlichen Einschrรคnkungen der Klรคgerin umfassend zu beleuchten.
Der Internist Dr. Christoph Stelzl stellte in seinem Gutachten fest, dass aufgrund der starken Blutzuckerschwankungen und der Hypoglykรคmiewahrnehmungsstรถrung sowie der Polyneuropathie eine Erhรถhung des GdB auf 50 gerechtfertigt sei.
Auch das weitere Gutachten des Neurologen Dr. Thomas Brunner trug zur Entscheidungsfindung bei, indem es die neurologischen und psychiatrischen Einschrรคnkungen der Klรคgerin untersuchte, jedoch keine zusรคtzliche Erkrankung wie eine Polyneuropathie bestรคtigte.
Die Einschรคtzungen der Sachverstรคndigen betonten jedoch die schwerwiegenden Auswirkungen der Diabetes-Komplikationen auf die Lebensfรผhrung der Klรคgerin, was letztlich zur Erhรถhung des GdB fรผhrte.
Welche gesetzlichen Bestimmungen wurden angewendet?
Der Fall wurde nach den Maรstรคben des Sozialgesetzbuches (SGB X und IX) und den Regelungen der Versorgungsmedizin-Verordnung (VMG) beurteilt. ยง 48 SGB X besagt, dass bei wesentlichen รnderungen im Gesundheitszustand eine Anpassung des Verwaltungsaktes erfolgen muss.
Nach ยง 152 SGB IX wird der Grad der Behinderung nach den individuellen Beeintrรคchtigungen und ihrer Auswirkung auf das Leben in der Gesellschaft festgestellt. Die Versorgungsmedizinischen Grundsรคtze (VMG) legen fest, dass insbesondere schwer regulierbare Stoffwechsellagen bei Diabetes mellitus Typ 1 einen hรถheren GdB rechtfertigen kรถnnen.
Da die Klรคgerin nachweislich von einer solchen schwer regulierbaren Stoffwechsellage betroffen ist, sprach das Gericht ihr einen GdB von 50 zu.
Welche Bedeutung hat das Urteil fรผr Menschen mit Diabetes und รคhnlichen chronischen Erkrankungen?
Das Urteil ist wegweisend, da es zeigt, dass auch schwerwiegende Diabetes-Komplikationen einen GdB von 50 rechtfertigen kรถnnen.
“Durch die Berรผcksichtigung dieser Einschrรคnkungen wird anerkannt, dass chronische Krankheiten oft weit รผber ihre Grundsymptome hinaus erhebliche Beeintrรคchtigungen im tรคglichen Leben mit sich bringen”, so der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt kommentierend zu dem Urteil.
Besonders die Abhรคngigkeit von Glukosesensoren und der erhรถhte Therapieaufwand sind anerkannt worden.
Ein Erfolg fรผr die Klรคgerin und ein Schritt zur besseren Anerkennung von Behinderungen
Das Gericht urteilte zugunsten der Klรคgerin und hob die Bescheide der Vorinstanzen auf. Es verurteilte den Beklagten dazu, einen GdB von 50 rรผckwirkend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung ย anzuerkennen. (Sozialgericht Cottbus, AZ: S 17 SB 11/2)