Das Landessozialgericht Baden-Württemberg verwarf am 6. Mai 2024 den Versuch einer Klägerin, ihren Grad der Behinderung (GdB) von 40 auf 50 zu erhöhen. Die Richter zeigten dabei, wie streng sie Verschlimmerungsanträge prüfen. Wer Sozialleistungen aufstocken oder Nachteilsausgleiche sichern will, erfährt hier, worauf es ankommt – und welche Fehler Sie vermeiden sollten.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund: Der Fall in wenigen Sätzen
Die Klägerin sammelte zahlreiche Diagnosen: Schlafapnoe, allergisches Asthma, Wirbelsäulenbeschwerden, Migräne, Hauterkrankung. Das Sozialgericht Ulm erkannte ihr 2021 den begehrten GdB 50. Die Behörde ging in Berufung – mit Erfolg. Das LSG entschied, dass mehrere leichte Beeinträchtigungen nicht automatisch eine Schwerbehinderung ergeben. Maßgeblich bleibt, welche konkrete Funktionseinschränkung im Alltag entsteht. Aktenzeichen: L 12 SB 864/22, Urteil vom 06. 05. 2024
GdB addiert sich nicht wie Schulnoten
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) ordnen jeder Erkrankung einen Einzel GdB zu. Leichte Beeinträchtigungen landen bei 10 oder 20. Erst, wenn eine weitere Diagnose das Leben deutlich stärker einschränkt, steigt der Gesamt GdB. Im Urteil fehlte dieser Effekt: Kein Leiden überschritt den Schwellenwert mittlerer Schwere.
Warum ärztliche Gutachten lückenlos sein müssen
Das Gericht lehnte neue MRT-Bilder ab, weil die Termine nach Klageeinreichung lagen. Wer Beweise verspätet bringt, riskiert, dass Richter sie ignorieren. Praxistipp: Sammeln Sie aktuelle Berichte, bevor Sie den Verschlimmerungsantrag stellen.
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Formfehler kosten den Prozess – Beispiel Signatur
Die Klägerin griff die elektronische Berufung der Behörde an. Ihr Argument: Die Unterschrift sei nicht echt. Das LSG folgte ihr nicht. Ergebnis: wertvolle Zeit für Sachargumente verschenkt. Nutzen für Sie: Konzentrieren Sie sich auf medizinische Nachweise statt auf zweifelhafte Formaleinwände.
Medikamentenmissbrauch kann Glaubwürdigkeit zerstören
Die Sachverständige stellte analgetikainduzierte Kopfschmerzen fest. Schmerzmittelüberdosierung schwächte damit die Migräneargumentation der Klägerin. Das Gericht wertete dies als Eigenverantwortung – kein höherer GdB.
Schwerbehinderung und Hartz IV: Wo liegt der Vorteil?
Ein GdB 50 eröffnet besondere Rechte: mehr Freibeträge, längere Kündigungsfristen, Zusatzurlaub. Für Bürgergeld-Bezieher wiegt hauptsächlich der Mehrbedarf von aktuell 17 % schwer. Wer diesen Anspruch anstrebt, muss jedoch die VMG-Logik erfüllen.
Drei Lektionen für Ihren nächsten Antrag
1. Aktuelle Diagnostik: Befunde sollten höchstens zwölf Monate alt sein.
2. Konkrete Alltagseinschränkung: Beschreiben Sie, was Sie nicht mehr können.
3. Konsistenter Lebenslauf: Sportliches Hobby und gleichzeitige Schwerbehinderung schließen sich oft aus.
Gericht erkennt Persönlichkeitsfaktoren an
Das Urteil erwähnt eine histrionische Persönlichkeitsstruktur. Die Klägerin neigte laut Gutachten zur Übertreibung. Die Richter berücksichtigten das und werteten Schilderungen kritischer.
Keine Überraschungsladung: Fristen richtig nutzen
Das Gericht hatte sieben Monate vorab auf Entscheidungsreife hingewiesen. Die spätere Behauptung einer „Überraschungsladung“ verfing nicht. Prüfen Sie daher jede gerichtliche Verfügung sofort und reagieren Sie fristgerecht.