Schwerbehinderung: Ab 2026 fällt der wichtige Vertrauensschutz

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Ab dem 1. Januar 2026 gilt für die Altersrente schwerbehinderter Menschen ein neues Regelwerk. Der bislang geltende Vertrauensschutz – also das Recht, bereits vor dem 62. Geburtstag oder mit geringeren Abschlägen vorzeitig in den Ruhestand zu treten – wird ersatzlos gestrichen.

Für Betroffene bedeutet das: Ein abschlagsfreier Rentenbeginn ist erst ab 65 Jahren möglich, ein vorzeitiger Eintritt mit Abschlägen frühestens ab 62. Die Neuregelung betrifft nach Schätzungen rund acht Millionen Schwerbehinderte in Deutschland und führt bei vielen zu dauerhaften Einbußen von bis zu 10,8 Prozent der gesamten Altersrente.

Warum die Reform gerade jetzt greift

Hintergrund der Reform ist die stufenweise Anhebung der Altersgrenzen, die der Gesetzgeber bereits 2007 beschlossen, aber für den besonders schutzbedürftigen Personenkreis der Schwerbehinderten lange ausgesetzt hatte. Mit dem Jahrgang 1964 wird nun erstmals eine Generation 62 Jahre alt, die keinen Bestandsschutz mehr genießt.

Damit greift § 37 SGB VI künftig ohne Übergangsregel: Rentenbezug ohne Abschläge ist erst mit 65 Jahren möglich, die vorzeitige Inanspruchnahme bleibt auf 62 Jahre limitiert und wird mit einem dauerhaften Abschlag sanktioniert.

Wer ist betroffen und welche Voraussetzungen gelten?

Die strengeren Vorgaben treffen alle Versicherten, die 1964 oder später geboren wurden, einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 nachweisen und insgesamt 35 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen.

Für sie entfällt die bisherige Möglichkeit, bereits mit 60 Jahren – manchmal sogar noch früher – den Ruhestand zu wählen. Damit rückt die Schwerbehindertenrente näher an die regulären Altersgrenzen heran, ohne jedoch einen vollständigen Gleichklang herzustellen.

Mit jeder vorgezogenen Rentenmonat reduziert sich der Rentenwert dauerhaft um 0,3 Prozent. Wer den möglichen Rahmen von 36 Monaten voll ausschöpft, landet bei einem lebenslangen Abschlag von 10,8 Prozent.

Rechnet man diese Kürzung auf eine Brutto-Rente von 1 750 Euro hoch, sinkt die Zahlung um etwa 189 Euro pro Monat – und zwar für den gesamten Ruhestand. Parallel dazu fehlen Beitragszeiten, weil Betroffene früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden; das dämpft die spätere Rentenhöhe zusätzlich.

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Langfristige Einkommenseffekte und versteckte Fallstricke

Versicherte, die ihre Rente drei Jahre vorziehen, verzichten nicht nur auf den vollen Monatsbetrag. Geringere Rentensteigerungen, höhere Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung und der Verlust weiterer Entgeltpunkte verschärfen die Lücke im Alter.

Wer auf ergänzende Erwerbstätigkeit angewiesen ist, muss außerdem die Hinzuverdienstgrenzen der Teil- oder Flexi-Rente beachten – eine komplexe Materie, die unbedingte Beratung erfordert.

Handlungsspielräume: Rente planen statt reagieren
Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt empfiehlt, spätestens ab Mitte 50 eine individuelle Rentenstrategie zu entwickeln. Dazu gehört, die persönliche Rentenauskunft hochrechnen zu lassen, potenzielle Abschläge zu simulieren und Varianten wie Teilrente oder Flexi-Rente zu prüfen.

Wer weiterarbeitet, kann durch zusätzliche Beitragszeiten spätere Rentenkürzungen abmildern; ein steuer- und sozialabgabenfreier Minijob erhält den Arbeitnehmerstatus und sichert zusätzliche Entgeltpunkte ohne Abschlag.

Freiwillige Beiträge als Puffer

Ab dem 50. Lebensjahr haben Versicherte die Möglichkeit, freiwillige Beiträge einzuzahlen. Mit ihnen lassen sich künftige Abschläge ganz oder teilweise kompensieren. Zwar erfordert das zunächst Liquidität, doch die Rendite fällt im Vergleich zu anderen Anlageformen oft attraktiv aus, weil sich die Einzahlungen unmittelbar und dauerhaft im Rentenbescheid niederschlagen.

Frühe Entscheidung erspart späte Verluste

Die Reform ist beschlossen, die Frist läuft. Für Geburtsjahrgänge ab 1964 ist der 1. Januar 2026 der entscheidende Stichtag. Wer schon heute durchrechnet, ob ein früher Rentenbeginn wirtschaftlich tragfähig ist, kann Alternativen entwickeln, Rücklagen bilden oder gezielt weiterarbeiten. Wer hingegen wartet, riskiert, erst kurz vor Renteneintritt von einer Kürzung zu erfahren, die sich dann nicht mehr kompensieren lässt.

Fazit

Der Wegfall des Vertrauensschutzes ist keine Randnotiz, sondern die gravierendste Änderung im Rentenrecht für schwerbehinderte Menschen seit fast zwei Jahrzehnten.

Er zwingt Millionen Betroffene dazu, ihre Ruhestandsplanung neu aufzusetzen. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig beraten zu lassen, reale Abschläge zu kalkulieren und gezielt Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Nur so lässt sich verhindern, dass die eigentlich als Ausgleich gedachte Schwerbehindertenrente selbst zur finanziellen Belastung wird.