Das Bundesarbeitsgericht (AZ: 8 AZR 164/22) eine gute Entscheidung getroffen, die den Umgang mit Bewerbungen von Menschen mit Schwerbehinderung im öffentlichen Dienst verbessert.
Dabei geht es um die Rechte der Bewerber und die Pflichten der Arbeitgeber in Bezug auf Vorstellungsgespräche. Das Urteil klärt nicht nur, wann ein Ersatztermin anzubieten ist, sondern auch, welche Grenzen für Arbeitgeber gelten.
Inhaltsverzeichnis
Einladung zum Vorstellungsgespräch
Nach deutschem Recht, konkret § 165 Satz 3 SGB IX, sind öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, Menschen mit Schwerbehinderung zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, sofern sie die formalen Voraussetzungen der Stellenausschreibung erfüllen.
Diese Regelung zielt darauf ab, Chancengleichheit zu gewährleisten und Diskriminierungen von Menschen mit Behinderung zu verhindern. Sie trägt dem besonderen Schutzbedürfnis dieser Bewerbergruppe Rechnung und sichert ihnen den Zugang zu Auswahlverfahren.
Doch was geschieht, wenn ein Bewerber an dem angesetzten Termin verhindert ist? Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts stellte klar, dass der Arbeitgeber in solchen Fällen grundsätzlich einen Ersatztermin anbieten muss – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.
Ein Ersatztermin ist nur dann verpflichtend, wenn der Bewerber einen wichtigen Grund für seine Verhinderung angibt und wenn es für den Arbeitgeber zumutbar ist, einen solchen Termin zu organisieren.
Wie es zum Rechtsstreit kam
Der Rechtsstreit entstand, als ein Bewerber mit Schwerbehinderung zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, den Termin jedoch nicht wahrnehmen konnte. Er informierte den Arbeitgeber über seine Verhinderung und bat um einen Ersatztermin.
Der Arbeitgeber lehnte diesen Wunsch ab und führte das Vorstellungsgespräch ohne den Bewerber durch. Dies empfand der Bewerber als diskriminierend.
Er argumentierte, dass ihm aufgrund seiner Schwerbehinderung und seines Geschlechts ein Ersatztermin verweigert wurde. Darüber hinaus bemängelte er die Verwendung eines Gendersternchens in der Stellenausschreibung und fühlte sich dadurch in seiner geschlechtlichen Identität nicht ausreichend berücksichtigt.
In seiner Klage forderte der Bewerber eine Entschädigung in Höhe von 5.000 Euro, da er sich sowohl aufgrund seiner Behinderung als auch seines Geschlechts benachteiligt fühlte.
Die Entscheidung des Gerichts: Ablehnung der Klage
Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage des Bewerbers ab. Dabei berief es sich auf zwei zentrale Punkte: die unzureichende Begründung der Verhinderung und die Zumutbarkeit für den Arbeitgeber, einen Ersatztermin anzubieten.
Keine ausreichende Begründung der Verhinderung
Das Gericht stellte fest, dass der Bewerber seine Verhinderung nicht hinreichend dargelegt hatte. Er hatte lediglich angegeben, einen „anderen Termin“ zu haben, ohne näher darauf einzugehen, warum dieser Termin unverschiebbar oder von besonderer Bedeutung sei. Ohne eine klare und nachvollziehbare Erklärung konnte der Arbeitgeber nicht einschätzen, ob die Verhinderung des Bewerbers tatsächlich einen ausreichend wichtigen Grund darstellte.
Grenzen der organisatorischen Zumutbarkeit
Der Arbeitgeber argumentierte, dass es ihm nicht möglich war, einen Ersatztermin zu organisieren. Die Koordination mit allen an dem Vorstellungsgespräch beteiligten Personen sei nicht realisierbar gewesen. Darüber hinaus habe der Arbeitgeber die ausgeschriebene Stelle zeitnah besetzen müssen, was zusätzliche Verzögerungen ausgeschlossen habe. Das Gericht folgte dieser Argumentation und stellte fest, dass der Arbeitgeber unter diesen Umständen nicht verpflichtet war, einen Ersatztermin anzubieten.
Keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
Hinsichtlich der vom Bewerber bemängelten Verwendung eines Gendersternchens in der Stellenausschreibung entschied das Gericht ebenfalls zugunsten des Arbeitgebers. Der Genderstern sei als inklusive Schreibweise zu verstehen, die alle Geschlechter einschließe. Es handele sich hierbei nicht um eine Benachteiligung oder Diskriminierung, sondern um eine bewusste und geschlechtergerechte Formulierung.
Bedeutung des Urteils: Klärung von Rechten und Pflichten
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat weitreichende Implikationen für Bewerbungsverfahren im öffentlichen Dienst. Es verdeutlicht, dass die Pflicht zur Einladung von Menschen mit Schwerbehinderung nicht uneingeschränkt gilt. Bewerber müssen ihren Teil dazu beitragen, indem sie eine Verhinderung klar und nachvollziehbar begründen. Gleichzeitig setzt das Urteil den Arbeitgebern Grenzen, indem es ihnen erlaubt, auf organisatorische und zeitliche Zwänge hinzuweisen.
Was bedeutet das für schwerbehinderte Bewerber?
Für Bewerber mit Schwerbehinderung ist es wichtig, dass sie bei einer Verhinderung des Vorstellungsgesprächs konkrete und wichtige Gründe nennen.
Allgemeine Hinweise wie „ein anderer Termin“ reichen nicht aus, um den Anspruch auf einen Ersatztermin durchzusetzen. Bewerber sollten außerdem frühzeitig mit dem Arbeitgeber kommunizieren, um Missverständnisse oder Vorwürfe zu vermeiden.
Was bedeutet das für Arbeitgeber?
Arbeitgeber im öffentlichen Dienst sind weiterhin in der Pflicht, Menschen mit Schwerbehinderung zum Vorstellungsgespräch einzuladen und unter bestimmten Umständen auch Ersatztermine anzubieten.
Dabei müssen sie jedoch die Zumutbarkeit sorgfältig prüfen und ihre Entscheidungen gut dokumentieren. Dies schützt sie nicht nur vor rechtlichen Auseinandersetzungen, sondern stärkt auch die Transparenz und Fairness in ihren Verfahren.
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