Schwerbehinderung: Das Gericht entscheidet über den Grad der Behinderung

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Menschen klagen oft vor den Sozialgerichten, um einen Grad der Behinderung durchzusetzen, der einen Status als schwerbehindert rechtfertigt. Denn dieser ist mit Nachteilsausgleichen und Sonderkonditionen verbunden.

Um den Grad der Behinderung zu klären, können die Gerichte medizinische Fachgutachten einholen. Am Ende entscheidet jedoch das Gericht und ist an die Bewertung der Mediziner nicht gebunden.

Das fällt in der Praxis kaum auf, da sich die zuständigen Richter und Richterinnen meist an die vorliegenden Gutachten von Sachverständigen halten. In einem Fall in Münster lief es aber anders. Dort hatten die Gutachten keine Schwerbehinderung festgestellt, da sie nur einen Grad der Behinderung von 40 erkannten. Das Gericht sprach allerdings einen Grad der Behinderung von 50 zu und damit eine Schwerbehinderung.

Chronische Lungenerkrankung und weitere Einschränkungen

Der Betroffene leidet an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Dies ist zwar die Hauptursache seiner Beschwerden, aber nicht die einzige. Der Kreis Steinfurt sprach ihm für die COPD einen Grad der Behinderung von 40 zu und ignorierte die zusätzlichen Einschränkungen.

Ein Widerspruch des Betroffenen blieb erfolglos. Deshalb klagte er vor dem Sozialgericht Münster, um einen Grad der Behinderung von 50 oder mehr zu erhalten.

Rechtfertigt der Gesamtzustand einen Grad der Behinderung von 50?

Der Betroffene argumentierte, dass bei der Anerkennung des Grades der Behinderung lediglich seine Lungenerkrankung einbezogen worden sei, er jedoch auch einen Wirbelsäulenschaden habe. Mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt ist dieser mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 zu bewerten.

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Wenn sich die einzelnen Behinderungen einfach addieren ließen, dannn wäre die Sache klar gewesen. 40 für die Lungenerkrankung und 20 für das Wirbelsäulenleiden ergäbe einen Grad der Behinderung von 60, und damit klar eine Schwerbehinderung.

Doch so läuft die Berechnung eines gesamten Grades der Behinderung nicht. Vielmehr muss beurteilt werden, wie die einzelnen Einschränkungen in wechselseitiger Beziehung stehen. Verstärken sie sich gegenseitig? Auch wenn sie sich nicht beeinflussen, kann ein höherer Grad der Behinderung gegeben sein, wenn unabhängig von der anderen Einschränkung eine zusätzliche Funkitonsstörung vorliegt. Dann wiederum können sich unterschiedliche Ursachen auf dieselben Funktionen auswirken, ohne die Einschränkung zusätzlich zu verstärken.

Orthopädisches Gutachten

Das Gutachten eines Unfallchirurgen und Orthopäden kam dazu, dass sich der Gesundheitszustand zwar verschlechtert hätte, der Grad der Behinderung aber weiterhin bei 40 läge. Zwar erkannten die Richter und die Richterin das Gutachten zum allergrößten Teil an – nicht aber die Schlussfolgerung, einen Grad der Behinderung von 40.

Keine Überschneidung

Strittig war hier, dass keine Überschneidung der Lungenerkrankung und des Wirbelsäulenschadens zugrunde liegen. Das fachliche Gutachten schloss daraus, dass beide auch gesondert berechnet werden müssten. Ob in solchen Fällen der gesamte Grad der Behinderung erhöht werden muss, wird allerdings unterschiedlich beantwortet.

Das Gericht bezog zu dieser Frage keine eindeutige Position. Vielmehr bewertete es, wie im individuellen Fall und in der gegebenen Situation Einschränkungen vorhanden sind, die die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren. In der konkreten Betrachtung kam das Gericht dann dazu, dass ein Grad der Behinderung von 50 vorliegt.

Der Kreis Steinfurt ist damit dazu verurteilt, beim Betroffenen einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen, und dieses Urteil ist rechtskräftig.