Wenn Sie einen Antrag auf Bürgergeld stellen oder bereits Bürgergeld beziehen, stellt das Jobcenter fest, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt. Viele Leistungsberechtigte sind unsicher, wann das der Fall ist. Handelt es sich um eine Bedarfsgemeinschaft, wenn Sie in einer WG wohnen? Ist eine Wohnung zusammen mit Ihrem Lebenspartner eine Bedarfsgemeinschaft?
Inhaltsverzeichnis
Bedarfsgemeinschaft wirkt sich auf die Leistungen aus
Diese Fragen zu klären, ist wichtig, denn bei der Entscheidung, ob eine Bedarfsgemeinschaft existiert, geht es um die Höhe der Leistungen. Da Bürgergeld das Existenzminimum bedeutet, können geringere Leistungen gravierende Auswirkungen haben.
Kritisch wird es, wenn das Jobcenter feststellt, dass eine Bedarfsgemeinschaft vorlag und Leistungen zurückfordert. Im schlimmsten Fall droht dann sogar ein Gerichtsverfahren wegen Vorwurf des Betrugs.
Wir zeigen Ihnen in diesem Beitrag, wann eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt und wann nicht, worauf Sie achten müssen, und was Sie machen können, wenn das Jobcenter zu Unrecht eine Bedarfsgemeinschaft unterstellt.
Was ist eine Bedarfsgemeinschaft?
Als Bedarfsgemeinschaft definiert das Sozialrecht eine Gruppe Personen, die gemeinsam in einem Haushalt leben und wirtschaften. Das „wirtschaften“ ist dabei wesentlich. Eine Bedarfsgemeinschaft liegt also noch nicht vor, wenn Sie lediglich mit anderen unter einem Dach wohnen.
Zum Beispiel ist eine Zweck-WG, in der jeder sein eigenes Zimmer hat und selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommt, deshalb keine Bedarfsgemeinschaft. Vielmehr tragen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft Verantwortung füreinander.
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Kinder und Ehepartner
Unverheiratete Kinder unter 25 Jahren, die im Haushalt der Eltern leben, gehören per se zu einer Bedarfsgemeinschaft. Das gilt ebenso für Ehe- oder Lebenspartner, wenn diese nicht dauerhaft getrennt wohnen. Bei nicht ehelichen Lebensgemeinschaften liegt tendenziell eine Bedarfsgemeinschaft vor, wenn diese länger als ein Jahr Bestand haben, und / oder es gemeinsame Kinder gibt.
Was bedeutet das für das Bürgergeld?
Bei einer Bedarfsgemeinschaft wird das Einkommen aller Mitglieder für den Leistungsanspruch der gesamten Gemeinschaft angerechnet und entscheidet darüber, ob ein Leistungsanspruch besteht. Das bedeutet konkret zum Beispiel: Wenn Sie sich Ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln sichern können, aber mit Ihrer Ehefrau zusammenleben, deren Einkommen ausreicht, um den Lebensunterhalt für beide zu sichern, dann haben Sie keinen Anspruch auf Bürgergeld. Vielmehr ist der Partner in der Pflicht, die finanzielle Versorgung zu sichern.
Wie sind die rechtlichen Grundlagen?
Der Paragraf 7 Absatz 3 im Sozialgesetzbuch II (Bürgergeld) regelt, wer zu einer Bedarfsgemeinschaft gehört. Das sind erstens die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Zweitens gehören dazu die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Drittens umfasst eine Bedarfsgemeinschaft nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner.
Viertens zählt zu einer Bedarfsgemeinschaft auch „eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt lebt, sodass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.“
Voraussetzung, um Bürgergeld zu beziehen, ist auch bei einer Bedarfsgemeinschaft Hilfebedürftigkeit. Die Gemeinschaft ist also insgesamt nicht in der Lage, die Mittel für ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft aufzubringen.
Eine Bedarfsgemeinschaft ist keine WG
Der vierte Punkt klärt, dass eine Bedarfsgemeinschaft in der Definition des Sozialgesetzes über eine Wohngemeinschaft hinausgeht. Die Mitglieder müssen füreinander einstehen und gemeinsam wirtschaften. In einer WG teilen sich gewöhnlich die Mitglieder zwar eine Wohnung, führen aber keinen gemeinsamen Haushalt oder übernehmen Verantwortung füreinander.
Sich die Miete für die gesamte Wohnung zu teilen, wie in einer WG, ist noch kein gemeinsames Wirtschaften und auch kein „füreinander Einstehen“. Allerdings kommt es bei der Bewertung, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt, oft auf den Einzelfall an, und Jobcenter sind hier bisweilen ausgesprochen spitzfindig.
Was bedeutet das in der Praxis?
Wenn Sie Bürgergeld beantragen, dann müssen Sie beim Bürgergeld angeben, ob Sie in einer WG oder einer Bedarfsgemeinschaft leben. Bei einer WG müssen Sie in der Regel nur die Mietkosten der einzelnen Mitglieder und Ihren Teil an der Gesamtmiete angeben.
Bei einer Bedarfsgemeinschaft verlangt das Jobcenter alle Angaben zu den persönlichen Verhältnissen und auch dem Einkommen der anderen Mitglieder, um die Leistung zu berechnen.
Die Bundesagentur für Arbeit schreibt: „Beantragen Bewohner einer Wohngemeinschaft Bürgergeld, müssen sie keine Angaben zu den persönlichen Verhältnissen ihrer Mitbewohnerinnen und Mitbewohner machen. Es reicht aus, wenn sie in der Anlage KDU den Mietanteil der weiteren Bewohnerinnen und Bewohner nennen oder die Untermietzahlung in der EK angeben.
Gibt es Bedarfsgemeinschaften innerhalb der WG?
Auch innerhalb einer WG kann es allerdings sein, dass eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt. Wenn Sie zum Beispiel mit Ihren Kindern unter 25 in einer Wohngemeinschaft mit anderen Menschen zusammenleben, dann gehören Ihre Kinder und Sie zu einer Bedarfsgemeinschaft, die übrigen Mitglieder der WG aber nicht. Ebenso sieht es aus, wenn Sie zusammen mit Ihrem Ehepartner in einer WG leben.
Streitpunkt eheähnliche Gemeinschaft
Immer wieder beschäftigen die Sozialgerichte die Frage, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt. Wenn dies der Fall ist, wird davon ausgegangen, dass beide Partner Verantwortung füreinander übernehmen und gemeinsam wirtschaften. Dann wäre es eine Bedarfsgemeinschaft, und bei der Berechnung des Bürgergeldes würde das gesamte Einkommen zählen.
Das Bundessozialgericht hat geklärt, wann eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt.
Kriterien sind:
- Die Partner führen einen gemeinsamen Haushalt (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft).
- Sie beabsichtigen, füreinander einzustehen und Verantwortung zu tragen.
- Sie versorgen ein gemeinsames Kind.
- Sie verfügen gemeinsam über Eigentum und Vermögen des jeweils anderen.
- Sie leben länger als ein Jahr zusammen. Dieser Punkt sagt noch nicht aus, dass eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt, ist aber ein Indiz für das Jobcenter, es zu vermuten.
Was bedeutet das im Einzelfall?
Die Kriterien des Bundessozialgerichts dienen dazu, den heute oft vorhandenen Patchwork-Strukturen gerecht zu werden. Tatsächlich ist es ständiger Konfliktstoff gegenüber den Jobcentern, ob es sich bei dem jeweiligen Patchwork um eine Bedarfsgemeinschaft handelt.
Im Zentrum steht dabei oft die Frage, ob es sich um eine gemeinsame Haushaltsführung handelt. Wenn Sie und Ihr Partner zwar zusammen leben, aber getrennte Konten haben, auf die der andere keinen Zugriff hat, dann ist das gegenüber der Behörde ein gutes Argument gegen eine Bedarfsgemeinschaft.
Oft müssen Sozialgerichte die Feinheiten ausloten: Auch in Wohngemeinschaften nutzen die Mitglieder zum Beispiel gemeinsam Wasch- und Spülmaschine oder teilen sich die Kosten für Grundnahrungsmittel. Trotzdem liegt keine Bedarfsgemeinschaft vor.
Wo hier die Grenze zu einer ähnlichen Praxis in einer Partnerschaft liegt, ist oft schwer zu bestimmen und wird von Sozialgerichten geklärt.
Was bedeutet eine Bedarfsgemeinschaft für die Leistung?
Bei einer Bedarfsgemeinschaft fallen die Bezüge geringer aus als bei Bürgergeld für Alleinstehende. Denn hier gilt, dass die Mitglieder füreinander einstehen, bevor der Staat einspringt.
So beträgt der Regelsatz für Alleinstehende 563,00 Euro. In einer Bedarfsgemeinschaft zweier volljähriger Partner beträgt er pro Person aber nur 506,00 Euro. Kinder von 14 bis 17 Jahren erhalten 471,00 Euro, zwischen 6 und 13 Jahren 390,00 Euro und unter sechs Jahren 357,00 Euro.
Hinzu kommen die Kosten der Unterkunft und Heizung, die das Jobcenter als angemessen ansetzt.
Einkommen und Vermögen
Bei Einkommen und Vermögen wird das gesamte Einkommen und Vermögen aller Mitglieder der Gemeinschaft zusammen gezählt. Dabei gibt es Schonvermögen und Freibeträge beim Einkommen (100,00 Euro).
Als Schonvermögen gilt in der Karenzzeit, also dem ersten Jahr des Bürgergeld-Bezugs, 40.000 Euro für Alleinstehende. Bei einer Bedarfsgemeinschaft gelten diese 40.000 Euro nur für die erste Person. Jede weitere hat von Anfang einen Vermögensfreibetrag von 15.000 Euro.
Berechnung des Gesamtvermögens kann ein Vorteil sein
Dies kann allerdings besonders bei Bedarfsgemeinschaften mit Kindern sogar ein Vorteil sein. Denn hier gilt es um die Gesamtsumme. Ein Ehepaar mit zwei Kindern hätte also 40.000 Euro plus dreimal 15.000 Euro Schonvermögen, insgesamt also 85.000 Euro.
Nehmen wir an, der Vater hat 60.000 Euro angespart, die Mutter 10.000, und die Kinder verfügen jeweils über ein Sparkonto mit 1.500 Euro. Obwohl der Vater allein 20.000 Euro über dem Schonvermögen für Alleinstehende liegt, kommt die Familie insgesamt mit 73.000 Euro nicht an die Grenze des Schonvermögens von 85.000 Euro.
Sie haben eine Mitwirkungs- und Meldepflicht
Sie haben die Pflicht, dem Jobcenter mitzuteilen, wie Ihre Lebenssituation ist und ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt. Sie müssen der Behörde unverzüglich melden, wenn sich die Struktur Ihrer Bedarfsgemeinschaft ändert.
Das kann ein Umzug sein, eine Geburt, ein Todesfall oder auch eine Trennung der Partner. Diese Meldepflicht gilt für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter
Diese Melde- und Mitwirkungspflicht dürfen Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn Jobcenter sind hier strikt und schießen immer wieder auch über das Ziel hinaus.
Wenn Sie Meldungen über Änderungen der Bedarfsgemeinschaft unterlassen oder verspätet einreichen, dann kann das für Sie Rückzahlungsforderungen des Jobcenters bedeuten.
Auch Sanktionen der Behörde sind möglich, wenn diese Ihnen grobe Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz unterstellt. In seltenen Fällen drohen sogar strafrechtliche Folgen.
Was bedeuten Änderungen der Bedarfsgemeinschaft?
Wenn mehr Personen zu der Bedarfsgemeinschaft kommen oder wenn Personen wegfallen, wirkt sich das stark auf die Leistungen aus. Kommt ein Erwerbsfähiger dazu, dann führt das zu einer Reduzierung der Leistung. Wird hingegen ein Kind geboren, dann erhöhen sich letztlich die Leistungen.