Verรคnderungen im Wohneigentum, die Barrieren fรผr Menschen mit Behinderung reduzieren, sind auch dann berechtigt, wenn das Gebรคude unter Denkmalschutz steht oder Anwohner รคsthetische Bedenken haben. Das klรคrte der Bundesgerichtshof in zwei Urteilen (V ZR 244/22 sowie V ZR 33/23)
Inhaltsverzeichnis
Barrierefreiheit und Denkmalschutz
In beiden Fรคllen ging es um bauliche Verรคnderungen durch Wohneigentรผmer. Im Fall V ZR 244/22 hatten die Betroffenen in der Eigentรผmerversammlung gefordert, einen Auรenaufzug am Hinterhaus fรผr Menschen mit Behinderungen anzubringen.
Die Eigentรผmerversammlung des Mehrfamilienhauses im Jugendstil, das unter Denkmalschutz steht, lehnte dieses Begehren ab. Daraufhin zogen die Betroffenen vor Gericht. Die ersten Instanzen beurteilten die Frage unterschiedlich, und die darauffolgende Revision beim Bundesgerichtshof gab den Klรคgern recht.
Trotz des Denkmalschutzes und รคsthetischer Bedenken sei es rechtens, einen Aufzug anzubauen, um die Barrieren fรผr Menschen mit Behinderung zu reduzieren.
Welches Recht haben einzelne Eigentรผmer?
Im zweiten Fall V ZR 33/23 ging es ebenfalls um eine bauliche Verรคnderung, die Menschen mit Behinderung den Zugang zum Gebรคude erleichtern sollte, dieses Mal um eine erhรถhte Terrasse mit Zugangsrampe. Hier beschloss zwar die Eigentรผmerversammlung die bauliche Verรคnderung, aber einzelne Eigentรผmer lehnten diese ab.
Auch im zweiten Fall entschied der Bundesgerichtshof, dass die Barrierefreiheit Vorrang hat vor den Interessen der jeweiligen Eigentรผmer.
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Was bedeuten diese Urteile fรผr Menschen mit Behinderung?
Beide Urteile stellen sich hinter Wohnungseigentรผmer, die auf eigene Kosten bauliche Verรคnderungen vornehmen wollen, um Menschen mit Behinderung den Zugang zum Gebรคude zu erleichtern.
Zugang zur Wohnung ist essenziell
Darรผber hinaus stรคrkt der Bundesgerichtshof die Rechte von Menschen mit Schwerbehinderung und ihren Anspruch, fรผr bestehende Nachteile aufgrund ihrer Einschrรคnkung, einen Ausgleich zu erhalten, um gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben zu kรถnnen. Ein barrierefreier Zugang zu Gebรคuden und einzelnen Wohnungen ist ein essenzieller Nachteilsausgleich.
Barrierefreiheit hat Vorrang
Hier hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Barrierefreiheit grundsรคtzlich als angemessen angesehen werden muss. Sie hat den beiden Urteilen zufolge auch klaren Vorrang vor Bedenken wegen Denkmalpflege oder wegen รคsthetischer Vorstellungen.
Keine Benachteiligung anderer Eigentรผmer und keine komplette Umgestaltung
In beiden Fรคllen ging es dabei deutlich um Maรnahmen, die Wohneigentรผmer, die diese umsetzen wollen, selbst zu tragen haben. Andere Mitglieder einer Eigentรผmergemeinschaft dรผrfen dabei nicht unbillig benachteiligt werden. Auรerdem ging es in beiden Fรคllen um Anbauten, bei denen die Grundstruktur der Wohnanlage erhalten bleibt.
Eine grundlegende Umgestaltung, die etwa den Status des Denkmalschutzes infrage stellen wรผrde, wird von beiden Urteilen nicht gedeckt, sondern sogar implizit verneint.
Worauf kรถnnen Sie als Eigentรผmer achten?
Wenn Sie als Wohneigentรผmer solche Maรnahmen zur Barrierefreiheit bereits im Kopf haben, dann geben Ihnen diese Urteile Rechtssicherheit, diese auch umzusetzen.
Grundsรคtzlich sollten Sie allerdings, im Interesse aller Beteiligten und vor allem der Menschen mit Behinderungen, die diesen Zugang nutzen, diese baulichen Verรคnderungen in der Eigentรผmergemeinschaft ansprechen und auf mรถgliche Bedenken anderer Eigentรผmer eingehen.
Die Urteile des Bundesgerichtshofs bieten eine zusรคtzliche Unterstรผtzung bei der Argumentation, sie als Druckmittel einzusetzen, um selbst vor Gericht zu gehen, sollten Sie jedoch erst dann ins Auge fassen, wenn Gesprรคche mit den anderen Eigentรผmern gescheitert sind.