Pflegebedürftige Rollstuhlfahrer können unter Umständen die volle Kostenübernahme für einen erforderlichen Plattformlift verlangen. Kann der Plattformlift „ohne maßgeblichen Substanzverlust“ aus dem Wohngebäude wieder entfernt werden und ermöglicht er „die selbstständige Lebensführung eines Pflegebedürftigen“, handelt es sich um ein Pflegehilfsmittel, entschied das Sozialgericht Freiburg in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 8. März 2024 (Az.: S 15 KR 1736/22).
Ein nur begrenzter Zuschuss für „wohnumfeldverbessernde Maßnahmen“ komme dann nicht infrage, so die Freiburger Richter.
Schwerbehinderte Klägerin ist auf Rollstuhl angewiesen
Die an Multipler Sklerose erkrankte und auf einen Rollstuhl angewiesene Klägerin hat damit Anspruch auf volle Kostenerstattung für einen Plattformlift an der Außentreppe ihres Wohnhauses.
Das Hilfsmittel war von ihrem Hausarzt verordnet worden. Die Kosten in Höhe von über 10.200 Euro wollte sie von ihrer Krankenkasse erstattet bekommen.
Der Antrag wurde an die Pflegekasse weitergeleitet. Diese bewilligte als „wohnumfeldverbessernde Maßnahme“ einen Zuschuss in Höhe von 4.000 Euro für den Einbau eines Treppenlifts, den Umbau des Badezimmers und eines Stellplatzes.
Die Frau beschaffte sich den Plattformlift selbst und verlangte weiterhin von ihrer Krankenkasse, dass diese für das Hilfsmittel voll aufkommt. Der Plattformlift sei zum Behinderungsausgleich erforderlich, so ihre Begründung.
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Die Krankenkasse lehnte den Antrag „in eigener Zuständigkeit“ ab und verwies darauf, dass es sich bei dem Plattformlift um eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme handele. Dafür gebe es aber nur den maximalen Zuschuss von 4.000 Euro, den die Klägerin von der Pflegekasse erhalten habe.
Sozialgericht Freiburg: Lift ist technisches „Pflegehilfsmittel“
Das Sozialgericht sprach ihr die Kostenerstattung in Höhe von 10.200 Euro zu.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei erkennbar, dass zu den wohnumfeldverbessernden Maßnahmen nur noch solche Hilfen gehörten, die so fest in die konkrete Wohnumgebung eingebaut werden, dass ein Ausbau mit erheblichen Substanzeinbußen verbunden wäre.
Dies sei bei dem Plattformlift nicht der Fall. Dieser könne – wenn auch mit gewissem Aufwand – ohne maßgeblichen Substanzverlust am Wohngebäude entfernt und an einem neuen Gebäude wieder befestigt werden. Es handele sich daher nicht um eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme, sondern vielmehr um ein Pflegehilfsmittel.
Dieses diene der selbstständigeren Lebensführung der Rollstuhlfahrerin und erleichtere ihr allgemeines Grundbedürfnis auf Mobilität in ihrem Nahbereich.
Erforderliche technische Pflegehilfsmittel müssten aber von der Pflegekasse bereitgestellt oder in voller Höhe bezahlt werden.
Da hier die Krankenkasse für den Antrag zuständig geworden sei, müsse sie die Kosten für den selbst beschafften Plattformlift erstatten. Sie könne den Betrag auch nicht um den von der Pflegekasse gewährten Zuschuss in Höhe von 4.000 Euro reduzieren. Dieser Zuschuss sei nur für „wohnumfeldverbessernde Maßnahmen“ gewährt worden, darunter der Badumbau. Der Plattformlift gehöre aber nicht dazu. fle