Regelmäßig kein Hartz-IV-Mehrbedarf für Fahrten zum Arzt

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Wer regelmäßig zum Arzt fahren muss, hat zum Teil erhebliche Mehrkosten zu tragen. Wer von Hartz IV Leistungen abhängig ist, kann das kaum stemmen. Arbeitslosengeld-II-Bezieher können nur ausnahmsweise sich vom Jobcenter Fahrtkosten für Arztbesuche oder auch für Besuche des inhaftierten Lebenspartners als Mehrbedarf erstatten lassen, urteilte das Bundessozialgericht.

Fahrten müssen unabweisbar sein

Nur wenn die Fahrten „unabweisbar” und die tatsächlichen Kosten nachgewiesen sind sowie „erheblich” über den durchschnittlichen Bedarf eines Arbeitslosengeld-II-Empfängers liegen, kann ein Mehrbedarf wegen eines Härtefalls bestehen, entschied am Mittwoch aktuell das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 4 AS 81/20 R und B 4 AS 3/21 R).

Damit kann ein Hartz-IV-Bezieher aus Nordhessen sich nicht die Fahrtkosten zu ärztlichen und psychotherapeutischen Behandlungen vom Jobcenter Schwalm Eder erstatten lassen. Im zweiten Verfahren kann dagegen eine unverheiratete Frau aus Halle noch darauf hoffen, dass ihre Fahrtkosten zu ihrem inhaftierten Lebenspartner übernommen werden.

BSG: Fahrten müssen unabweisbar und Kosten „erheblich” sein

Im ersten Fall führte der auf dem Land lebende Kläger von April bis Juni 2015 mehrere ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen in unterschiedlichen Städten durch, teils gehörten dazu auch Fahrten zum weiter entfernt gelegenen Uniklinikum Marburg. Für die Fahrten lieh er sich das Auto seiner Mutter. Die Kosten wollte er mit dem Jobcenter in Form einer Kilometerpauschale von 0,30 Euro pro Kilometer extra abrechnen.

Das Jobcenter lehnte dies ab. Die Fahrtkosten seien bereits im Regelbedarf enthalten. Für Verkehr seien 2015 darin monatlich 25,12 Euro vorgesehen (2022 sind dies 40,41 Euro).

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Das BSG wies die Klage ab. Nur ausnahmsweise könne ein Mehrbedarf für Fahrtkosten aus Härtegründen vorliegen. Hierfür müssten die Fahrten „unabweisbar” sein und die konkreten Kosten etwa mit Tankquittungen nachgewiesen werden.

Die Aufwendungen müssten zudem „erheblich” über den im Regelsatz für Verkehr vorgesehenen Betrag liegen, im Streitjahr 2015 also erheblich über 25,12 Euro monatlich. Dies sei aber auch nach den eigenen Berechnungen des Klägers nicht der Fall gewesen.

Fahrten zum Haftbesuch

Die Klägerin im zweiten Verfahren hatte im Streitmonat Februar 2015 zweimal ihren in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Burg in Sachsen-Anhalt inhaftierten Lebenspartner besucht.

Pro Besuch musste sie rund 250 Kilometer fahren. Sie legte entsprechende Tankquittungen sowie Besuchsnachweise der JVA vor und machte 79,87 Euro als Erstattungsbetrag geltend.

Das Jobcenter Halle lehnte ab. Es gebe keinen „unabweisbaren, laufenden Bedarf” für die Fahrten. Die Klägerin sei mit dem Inhaftierten nicht verheiratet und könne sich damit auch nicht auf den Schutz der Ehe und Familie berufen. Sie könne auch per Brief und Telefon mit ihrem Partner kommunizieren.

Das LSG Halle sprach ihr die Kostenerstattung mit Urteil vom 7. Juli 2020 zu (Az.: L 2 AS 346/17). Auch eine unverheiratete Hartz-IV-Bezieherin muss ihren im Gefängnis inhaftierten Lebensgefährten besuchen können.

Dem ist nun im Grundsatz das BSG gefolgt. Es gehöre zum soziokulturellen Existenzminimum, dass Arbeitslosengeld-II-Bezieher ihre zwischenmenschlichen Beziehungen pflegen können.

Kosten müssen erheblich sein, um erstattet zu werden

Dazu könne auch die Fahrt zum inhaftierten Lebenspartner zählen, vorausgesetzt, die angefallenen erforderlichen Kosten sind “erheblich”. Eine Ehe sei für solch einen Anspruch auf einen Mehrbedarf aber nicht erforderlich. Es müsse bereits vor Haftantritt eine „besondere Nähe” zu dem Partner bestanden haben.

Ob dies tatsächlich der Fall war, soll nun das LSG Halle nochmals prüfen. Zudem soll das LSG klären, ob die Frau die Fahrtkosten hätte zumutbar senken können, etwa mit der Inanspruchnahme von Mitfahrgelegenheiten. fle/mwo/fle