Pflegebedürftige im Rentenalter haben auch Anspruch auf Eingliederungshilfe

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Pflegebedürftige Menschen im Rentenalter sind nicht von Leistungen der Eingliederungshilfe ausgeschlossen! So entschieden vom SG Halle (Saale) Az. S 7 SO 9/24 ER. Die zuständige Behörde ist verpflichtet, die Antragsteller bei der Umsetzung zu beraten und zu unterstützen.

Wenn Menschen weiter in der eigenen Häuslichkeit leben möchten, ist die Suche eines Platzes in einer stationären Einrichtung keine geeignete Unterstützungsmaßnahme.

Pflegebedürftige Menschen haben einen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Pflege für ein Arbeitgeber-Assistenz-Modell und auf Teilhabeleistungen für Assistenzleistungen, auch im Rahmen eines Persönlichen Budgets.

Der Anspruch auf diese Leistungen ist nicht davon abhängig, dass die pflegebedürftige bzw. behinderte Person selbst in vollem Umfang alle Arbeitgeberfunktionen ausüben kann, wenn die erforderliche Unterstützung durch andere erfolgt (Leitsatz Gericht)

Begründung

Rz. 29 aus dem Beschluss:

“Der Gesetzgeber erlaubt pflegebedürftigen Personen zu entscheiden, dass sie ihre Pflege im Rahmen eines Arbeitgeber-Assistenz-Modells nach § 64f SGB XII sicherstellen und, wenn die gedeckelten Leistungen der Gesetzlichen Pflegekasse nicht ausreichen, dann dafür von der dafür zuständigen Behörde unterstützt werden, indem die angemessenen Kosten übernommen werden (§ 64f Abs. 3 SGB XII).”

Gleiches gilt für die gesetzgeberische Entscheidung, Menschen mit einem Teilhabebedarf Assistenzleistungen zu ermöglichen (§ 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX).

Die gesetzliche Regelung zum Persönlichen Budget, die für beide Bereiche anzuwenden ist, bedeutet auch, dass anspruchsberechtigte Personen selbst in die Lage versetzt werden sollen, ihre Unterstützung sicherzustellen und dafür gerade nicht eine Sachleistung in Anspruch nehmen müssen.

Diese gesetzgeberischen Entscheidungen zum Umfang von Sozialleistungen muss durch die dies finanzierende Behörde beachtet werden (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz).”

Nach Auffassung des Gerichts nicht zulässig

Nach Auffassung des Gerichts nicht zulässig, dass diese gesetzgeberischen Entscheidungen so einschränkend auszulegen sind, indem Betroffene dazu angehalten werden, andere Möglichkeiten der Unterstützung, die sicher weniger Geld kosten, zu wählen.

Antragstellerin kann über gesetzlichen Anspruch selbst entscheiden

Ob sie einen Pflegedienst beauftragen will und sie muss auch nicht in einer stationären Betreuungseinrichtung leben, wenn sie das nicht will.

Dem Gericht ist keine gesetzliche Regelung bekannt

Wonach Personen ab einem bestimmten Lebensalter von Leistungen der Eingliederungshilfe ausgeschlossen werden und lediglich Pflegeleistungen bzw. Leistungen der Hilfe zur Pflege in Anspruch nehmen können.

Die Antragstellerin kann Leistungen der Hilfe zur Pflege als auch der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen. Es geht bei beiden Sozialleistungen um unterschiedliche Zeile, die sich zwar überschneiden, jedoch nicht deckungsgleich sind.

Auch Menschen im Rentenalter können einen Bedarf für Leistungen der sozialen Teilhabe haben. Es kommt darauf an, ob sie einen Bedarf für soziale Teilhabe geltend machen. Hier hat die Antragstellerin einen entsprechenden Bedarf glaubhaft gemacht.

§ 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII führt hier nicht zu einer anderen Bewertung

Die bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung und dem Wohnen in der eigenen Häuslichkeit mit Unterstützung erforderlichen Leistungen sind nicht vergleichbar (ebenso SG München, Beschluss vom 15. Mai 2023 – S 48 SO 131/23 ER -).

Anmerkung Detlef Brock

SG München, Beschluss v. 15.05.2023 – S 48 SO 131/23 ER –

Anspruch auf Wohnen außerhalb stationärer Einrichtungen

Nach den Vorgaben in § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX, die sich an Art. 19 UN-BRK orientieren, ist der Wunsch des behinderten Menschen, außerhalb von besonderen Wohnformen zu leben, grundsätzlich angemessen im Sinne von § 104 Abs. 2 Satz 1 SGB IX.

In solchen Fällen kann der behinderte Mensch nicht auf die Inanspruchnahme stationärer Leistungen verwiesen werden, da es sich dabei nicht um eine vergleichbare Leistung im Sinne von § 104 Abs. 2 Satz 2 SGB IX handelt ( Leitsatz Gericht )

Hinweis

Der Gesetzgeber verpflichtet die zuständige Behörde für Leistungen der Eingliederungshilfeleistungen, die Antragstellerin zu beraten und sie zu unterstützen (§ 106 SGB IX).