Immer wieder wenden sich Bürgergeldbezieher an die Redaktion und berichten, dass das Jobcenter bereits beim ersten Zusammenziehen mit einem neuen Partner eine Bedarfsgemeinschaft vermutet. Dies hat Auswirkungen auf die Leistungen des Jobcenters, die jeweils um 10 Prozent gekürzt werden.
Jobcenter vermutet Bedarfsgemeinschaft
Petra G. (37) berichtet: “Nachdem ich längere Zeit alleine gewohnt habe, habe ich endlich einen neuen Mann kennengelernt. Nach 3 Wochen sind wir zusammengezogen. Das Jobcenter geht nun davon aus, dass ich mit meinem neuen Partner zusammenlebe. Deshalb zahlt mir das Jobcenter 51 Euro weniger im Monat. Außerdem werden Einkommen und Vermögen jetzt gegenseitig angerechnet. Was kann ich tun?”
In den meisten Fällen ist ein solches Vorgehen des Jobcenters nicht zulässig. Der Gesetzgeber hat ganz klar festgelegt, dass Partner, die neu zusammenziehen, ein Jahr quasi auf Probe zusammenleben, um dann festzustellen, ob man wirklich emotional und finanziell füreinander einstehen will.
Erst nach dem ersten Jahr des Kennenlernens müssen die jeweiligen Partner nachweisen, dass sich eine solche Verantwortung nicht entwickelt hat, weil man eben getrennt in der gemeinsamen Wohnung lebt und jeder für sich wirtschaftet.
Das heißt, das Jobcenter darf nicht pauschal davon ausgehen, dass eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft besteht, nur weil man zusammen wohnt. Aber: Wenn aus der gemeinsamen Partnerschaft ein Kind hervorgeht, kann die Behörde durchaus von einer Bedarfsgemeinschaft ausgehen.
Im Sozialgesetzgebuch II § 7 3a sind folgende Merkmale festgehalten:
Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
1. länger als ein Jahr zusammenleben,
2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Achtung: Bei einem Hausbesuch des Jobcenters wird genau geprüft, ob eines oder mehrere dieser Merkmale erfüllt sind.
Versehentliche Angaben in den Bürgergeld-Antragsformularen
Bei der Beantragung von Bürgergeld kommt es immer wieder vor, dass in den Antragsformularen aufgrund einer missverständlichen Frage zur Beziehungsqualität Antworten gegeben werden, die das Jobcenter zur Annahme einer Bedarfsgemeinschaft veranlassen. Selbst wenn dies geschieht, bestehen gute Chancen, gegen den Bescheid mit einem Widerspruch vorzugehen.
Diese Rechtsauffassung wird auch durch eine Reihe von Urteilen gestützt: “Bei Partnern, die weniger als ein Jahr zusammenleben, können nur gewichtige Umstände die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft rechtfertigen” (LSG Niedersachsen-Bremen AZ: L 7 AS 606/09 B ER – FEVS 61, 523; LSG Nordrhein-Westfalen AZ: L 19 AS 70/08; LSG Nordrhein-Westfalen AZ: L 19 B 56/07 AS ER – FEVS 59, 128; LSG Berlin-Brandenburg AZ: L 5 B 1362/05 AS ER).
Mitbewohner statt Bedarfsgemeinschaft
Eine Alternative ist, dass zwei sich mögende Menschen, sich eine Wohnung als jeweiligen Mitbewohner teilen. Dazu haben finden Sie hier einen Artikel.
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