Krankengeld auch bei vertröstetem Arzttermin für AU-Bescheinigung

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Vertröstet die Sprechstundenhilfe einer Arztpraxis eine Patientin für einer Folge Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf einen späteren Termin, darf die Krankenkasse deshalb nicht das Krankengeld versagen.

Zwar muss eine erkrankte und zwischenzeitlich gekündigte Arbeitnehmerin für den weiteren Erhalt von Krankengeld vom Arzt eine lückenlose Arbeitsunfähigkeit bescheinigt bekommen, so das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in einem am 2. Februar 2023, veröffentlichten Urteil (Az.: L 5 KR 40/19).

Gehe die Beschäftigte für eine entsprechende Folge-Krankschreibung aber rechtzeitig zum Arzt und werde sie von der Sprechstundenhilfe abgewiesen, dürfe dies der Versicherten nicht angelastet werden, betonten die Münchener Richter.

Krankengeld auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die aus dem Raum Augsburg stammende Klägerin war seit September 2017 wegen einer Schulteroperation arbeitsunfähig. Als ihr Arbeitsverhältnis zum 30. April 2018 endete, zahlte ihre Krankenkasse dennoch weiter Krankengeld.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist dies möglich, wenn der Arbeitnehmer weiterhin nahtlos die Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit nachweist. Nach heutigem Recht reicht eine Bescheinigung für alle Arbeitstage aus, eine zeitliche Lücke über das Wochenende ist unschädlich.

Dann muss aber am folgenden Montag die Versicherte in der Arztpraxis vorstellig werden, um erneut eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) und damit Krankengeld erhalten zu können.

Entsteht nach diesen Regeln eine Lücke, würde im laufenden Arbeitsverhältnis das Krankengeld nur ruhen. Ist wie hier das Arbeitsverhältnis beendet, führt eine Lücke der Bescheinigungen dagegen zum dauerhaften Verlust des Krankengeldanspruchs.

Klägerin wurde von Arztpraxis vertröstet

Die Klägerin hatte in der Arztpraxis am 18. Juni 2018 für ihre AU-Bescheinigung um einen sofortigen Termin bei ihrem Hausarzt gebeten. Die Sprechstundenhilfe wies sie mit Verweis auf das hohe Patientenaufkommen ab.

Der Hausarzt sei total überlastet. Die Sprechstundenhilfe versicherte der Patientin, dass sie auch zwei Tage später kommen könne. Die AU-Bescheinigung könne rückwirkend erstellt werden.

Dies sah die Krankenkasse der Frau anders. Die Versicherte hätte bei einem anderen Arzt vorstellig werden können. So sei die Folgebescheinigung zu spät erfolgt.

Doch das LSG gab der Klägerin mit Urteil vom 15. März 2022 recht. Um ihren Krankengeldanspruch erhalten zu können, müsse sie „alles in ihrer Macht Stehende getan“ haben, um lückenlos ihre Arbeitsunfähigkeit bescheinigt zu bekommen. Dem sei die Klägerin gerecht geworden.

Sie habe rechtzeitig, am letzten möglichen Tag, in der Arztpraxis nachdrücklich um einen Arzttermin und eine neue AU-Folgebescheinigung gebeten. Dabei stellten kurzfristige Terminvergaben keine krankengeldrechtliche Pflichtverletzung der Versicherten dar, urteilte das LSG.

LSG München verweist auf Fehler der Sprechstundenhilfe

Der fehlerhaften Auffassung der Sprechstundenhilfe, dass die zeitliche Lücke beim Krankengeldanspruch keine Rolle spiele, sei der Klägerin nicht anzulasten. Ein „Ärzte-Hopping“, also das Aufsuchen eines anderen Arztes, könne von ihr nicht verlangt werden, so das Gericht.

Dass sich eine Versicherte eine zeitliche Lücke zwischen den AU-Bescheinigungen auch dann nicht zuschreiben muss, wenn diese auf den Fehler eines Arztes zurückgehen, habe auch bereits das Bundessozialgericht (BSG) entschieden (Urteil vom 29. Oktober 2020, Az.: B 3 KR 6/20 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag).

Gegen das LSG-Urteil wurde Revision beim BSG eingelegt. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen B 3 KR 11/22 R anhängig. fle/mwo, Bild: pauline / pixelio.de