Keine Rückzahlung von Bürgergeld: Gericht sieht keine grobe Fahrlässigkeit

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Einen Anspruch auf Bürgergeld haben Sie, wenn Sie erstens erwerbsfähig und zweitens hilfebedürftig sind. Diesen Anspruch verlieren Sie jedoch, wenn Sie selbst verantwortlich für die Hilfebedürftigkeit sind – aus Absicht oder aus grober Fahrlässigkeit.

Das bedeutet konkret, wenn Sie es darauf anlegen, Ihren Job zu verlieren, dann bekommen Sie danach keine Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II. Genauso sieht es aus, wenn Sie Ihren Job wegen eines Verhaltens oder Handlungen verlieren, die Sie bei einem Minimum an Aufmerksamkeit hätten vermeiden können.

Jobverlust wegen Drogenkonsums kann grobe Fahrlässigkeit sein

Ein Jobverlust wegen Drogenkonsums kann grobe Fahrlässigkeit sein, muss es aber nicht. Jobcenter sind oft sehr schnell dabei, in solchen Fällen Leistungen zurückzufordern oder garnicht erst zu gewähren. Sozialgerichte entscheiden hingegen erfahrungsgemäß deutlich differenzierter.

Landessozialgericht entscheidet gegen Jobcenter

So bekam ein ehemaliger Taxifahrer vor dem Landessozialgericht Hamburg Recht, nachdem das Jobcenter von ihm Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zurückgefordert hatte.

Der Betroffene hatte seinen Job als Taxifahrer wegen des Konsums verschiedener Betäubungsmittel verloren. Trotzdem sah das Landessozialgericht keine Pflicht zur Rückzahlung. (L 4 AS 287/20)

Kokain und Opiate

Der Betroffene hatte als Taxifahrer gearbeitet. Er geriet in eine Polizeikontrolle. Diese ergab Rückstände von Kokain und Opiaten in seinem Blut. Er verlor seine Fahrerlaubnis und konnte seine Erwerbsbeschäftigung nicht mehr ausüben.

Er war jetzt erwerbslos und beantragte Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II (damals Hartz IV). Das Jobcenter genehmigte den Antrag.

Später Forderung nach Rückzahlung

Später fand das Jobcenter dann heraus, dass er seine Anstellung wegen Drogenkonsums verloren hatte. Deshalb forderte die Behörde sämtliche bis dahin geforderten Leistungen zurück. Sie begründete dies damit, dass er seine Notlage zumindest grob fahrlässig selbst herbeigeführt habe und berief sich auf den Paragrafen 34 des Sozialgesetzbuches II.

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Dort steht: „(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet.“

Taxifahrer hätte um die Konsequenzen wissen müssen

Er hätte wissen müssen, dass ein Fahren unter Drogeneinfluss Konsequenzen hätte, er habe seinen Job für den Drogenrausch riskiert und damit billigend in Kauf genommen, von Sozialleistungen abhängig zu werden.

Jobcenter scheitert vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht

Nach erfolglosem Widerspruch gegenüber dem Jobcenter entscheid das Sozialgericht zugunsten des ehemaligen Taxifahrers. Das Jobcenter ging in Berufung, doch auch das Landessozialgericht sah den Betroffenen im Recht.

Die Richter betonten, dass es sich bei dem entsprechenden Paragrafen des Sozialgesetzbuches II um einen Ausnahmetatbestand handle, der nur für wenige Fälle gelte. Sozialwidrig sei es lediglich, wenn ein Leistungsberechtigter den Zustand der Hilfebedürftigkeit absichtlich herbeiführen wollte.

Drogen zur Problembewältigung

Der Betroffene schilderte seine Situation vor Gericht ausführlich. Er hatte psychische Probleme und hatte die Opiate und das Konsum benutzt, um seinen Arbeitsalltag zu bewältigen. Die Richter betonten, dies sei zwar das falsche Mittel gewesen.

Doch sie sahen weder ein Bestreben des Betroffenen, den Arbeitsplatz durch sein Verhalten zu verlieren noch Handlungen, die zeigten, dass es ihm egal war, ob er die Stelle behalte oder nicht. Vielmehr habe der Drogenkonsum gerade dazu gedient, den Arbeitsplatz zu behalten. Ein Entzug des Regelsatzes und eine Rückforderung geforderter Leistungen sei deshalb nicht gerechtfertigt.

Was folgt aus dem Urteil?

Ob ein Jobverlust wegen Drogenkonsums das Jobcenter berechtigt, Leistungen zu verweigern oder zurückzufordern, ist eine Entscheidung im Einzelfall. Die Hürden dafür sind hoch, und im Einzelfall kann es auch sein, dass trotz einer Arbeitslosigkeit wegen Drogenkonsums weder grobe Fahrlässigkeit noch Absicht unterstellt werden kann.