Rente: Größte Rentenlücke trifft Millionen Rentner

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Frauen bekommen weniger Rente als Männer. Punkt. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis aus niedrigeren Löhnen, mehr Teilzeit, längeren Erwerbspausen und Regeln, die Care-Arbeit nur begrenzt anerkennen. Wer das hinnimmt, verzichtet doppelt: heute auf Einkommen, morgen auf Entgeltpunkte.

Gender-Rentenlücke: Ursachen im Klartext

Die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern ist groß und stabil. Gründe liegen auf der Hand: geringere Stundenlöhne, konzentrierte Teilzeitphasen, Minijobs, befristete Verträge und Unterbrechungen wegen Kindererziehung oder Pflege. Jede Pause kostet Entgeltpunkte.

Jede Stunde Teilzeit senkt die spätere Rente. Wer weniger verdient, kann auch weniger zusätzlich vorsorgen. So entsteht ein strukturelles Minus, das sich im Ruhestand verfestigt.

Kindererziehungszeiten: Rentenpunkte, die Sie aktiv sichern

Für jedes Kind werden bis zu drei Jahre Kindererziehungszeit als Pflichtbeiträge berücksichtigt. Bei vor 1992 geborenen Kindern sind es derzeit 30 Monate. Diese Monate zählen wie Beiträge zum Durchschnittsverdienst und bringen direkte Entgeltpunkte. Doch sie erscheinen nicht automatisch im Versicherungskonto. Ohne Antrag bleiben Chancen liegen. Prüfen Sie Ihren Versicherungsverlauf. Fehlen Einträge, stellen Sie eine Kontenklärung.

Wer bekommt die Anrechnung? Grundsätzlich der Elternteil, der überwiegend erzieht. Bei gemeinsamer Erziehung wird die Zeit ohne Erklärung der Mutter zugeordnet. Planen Sie, dem Vater zuzuordnen oder monatsweise aufzuteilen, braucht es eine gemeinsame Erklärung. Früh klären, sauber dokumentieren, Nachweise bereithalten – so vermeiden Sie Streit und Verzögerungen.

Wichtig für Patchwork-, Pflege- oder Großelternkonstellationen: Entscheidend ist die tatsächliche Erziehung. Auch hier gilt die Antragspflicht. Wer nicht beantragt, verzichtet.

Berücksichtigungszeiten: Lücken schließen, Zugang sichern

Neben den Beitragszeiten gibt es Berücksichtigungszeiten bis zum zehnten Geburtstag des Kindes. Sie erhöhen die Rente nicht direkt, wirken aber an entscheidender Stelle: Sie schließen Lücken im Versicherungsverlauf, sichern Mindestzeiten und verbessern die Bewertung schwacher Jahre.

Gerade für vorgezogene Altersrenten sind sie relevant, weil sie in langen Wartezeiten mitzählen. Wer viele Teilzeit- und Unterbrechungsphasen hat, profitiert überproportional.

Wartezeiten: 5, 35 und 45 Jahre – was wirklich zählt

Für die Regelaltersrente brauchen Sie fünf Jahre Wartezeit. Kindererziehungszeiten erfüllen diese Mindestzeit. Berücksichtigungszeiten zählen hier nicht.

Für die vorgezogene Altersrente für langjährig Versicherte und für schwerbehinderte Menschen gilt die 35-Jahres-Wartezeit. Hier zählen die meisten rentenrechtlichen Zeiten, einschließlich Berücksichtigungszeiten. Wer über die Jahre viele kurze Jobs, Phasen mit Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung hatte, kann die 35 Jahre oft dennoch erreichen.

Die Rente für besonders langjährig Versicherte verlangt 45 Jahre. Nicht alle Zeiten zählen. Kritisch sind die letzten 24 Monate vor dem Rentenbeginn: Bestimmte Zeiten mit Entgeltersatzleistungen können ausgeschlossen sein. Ausnahmen sind eng.

Wer die 45 Jahre anpeilt, muss früh planen und Lücken rechtzeitig mit Pflicht- oder freiwilligen Beiträgen schließen. Faustregel: Je näher der Rentenstart, desto teurer werden Fehler.

Mütterrente III: Gleichstellung ab 2027 – Nachzahlung geplant

Unter dem Schlagwort „Mütterrente“ werden Reformen zur besseren Anerkennung von Kindererziehungszeiten zusammengefasst. Für vor 1992 geborene Kinder soll die Anrechnung von 30 auf 36 Monate steigen. Der geplante Start liegt am 1. Januar 2027, die technische Umsetzung mit Nachzahlung ab 2028.

Ergebnis: pro Kind voraussichtlich ein halber Entgeltpunkt mehr. Das erhöht die Rente und kann Wartezeiten stärken. Bis zur Umsetzung gilt das heutige Recht. Planen Sie also konservativ – und prüfen Sie Bescheide ab 2027 genau.

Versorgungsausgleich: Teilung bei Scheidung – Chance und Risiko

Bei einer Scheidung teilt das Familiengericht die während der Ehe erworbenen Versorgungsansprüche grundsätzlich hälftig. Das umfasst gesetzliche, betriebliche und private Anrechte. Für viele Frauen ist das ein wichtiger Ausgleich.

Für viele Männer eine spürbare Kürzung. Geregelt wird die Ehezeit, nicht das ganze Erwerbsleben. Wer keine Kontrolle hat, lässt Chancen liegen: Prüfen Sie die erfassten Zeiten, hinterlegen Sie Nachweise, und lassen Sie fehlerhafte Bewertungen korrigieren.

Vorsicht vor Mythen: Ein hohes Einkommen führt nicht automatisch zu „riesigen“ Rentenansprüchen, weil Beitragsbemessungsgrenzen deckeln. Der Ausgleich fällt deshalb oft kleiner aus als erwartet. Transparenz hilft, falsche Hoffnungen zu vermeiden.

Rentensplitting: Partnerschaftlich teilen statt Abhängigkeit

Ehe- oder Lebenspartner können Rentenanrechte freiwillig aufteilen. Das Splitting stärkt die eigene Rente des wirtschaftlich schwächeren Partners und reduziert Abhängigkeit von Hinterbliebenenrenten. Es ist erst kurz vor der Regelaltersgrenze möglich und braucht eine gemeinsame Erklärung.

Ob es sich lohnt, hängt von Lebensalter, Gesundheit, Einkommensverlauf und Familienplanung ab. Wer dauerhaft zwei eigenständige Renten sichern will, sollte früh Modelle durchrechnen.

Klartext: Kinderzeiten helfen – sie heilen die Lohnlücke nicht

Kindererziehungszeiten bringen Punkte. Berücksichtigungszeiten sichern Zugänge. Wartezeiten lassen sich planen. Doch die stärkste Stellschraube bleibt das Erwerbseinkommen. Jede Stunde mehr zu einem fairen Lohn wirkt stärker als jede späte Korrektur. Politik kann Regeln anpassen. Sie selbst können heute Ansprüche sichern, Zuordnungen optimieren, Lücken vermeiden und Fristen einhalten. Wer das tut, verliert weniger.

Häufige Fehler – und wie Sie sie vermeiden

Viele Betroffene verlassen sich auf „automatische“ Anrechnung. Das ist riskant. Die Rentenversicherung weiß nicht, wen Sie wann erzogen haben. Ohne Antrag fehlen Monate. Auch die Zuordnung zwischen Elternteilen bleibt oft ungeklärt, obwohl eine monatsweise Aufteilung möglich wäre.

Weiterer Klassiker: zu späte Planung der 45-Jahres-Wartezeit. Wer erst kurz vor knapp reagiert, hat kaum noch legale Hebel. Besser: früh Bilanz ziehen, gezielt Beiträge leisten, teure Lücken schließen.

Was Sie jetzt konkret tun sollten

  • Versicherungsverlauf prüfen und fehlende Kindererziehungszeiten sofort nachtragen lassen.
  • Zuordnung zwischen Elternteilen klären und schriftlich festhalten; monatsweise Aufteilung nutzen.
  • Wartezeiten strategisch planen; 35/45 Jahre realistisch durchrechnen und Lücken früh schließen.
  • Bei Scheidung den Versorgungsausgleich aktiv begleiten; Nachweise sammeln und prüfen.
  • Rentensplitting als Option bewerten, wenn zwei eigenständige Renten gewünscht sind.

Die Rentenlücke ist kein Naturgesetz. Sie ist das Ergebnis von Entscheidungen, Unterbrechungen und Regeln. Kindererziehungszeiten, Berücksichtigungszeiten, Versorgungsausgleich und Splitting sind Werkzeuge. Nutzen Sie sie konsequent. Wer seine Ansprüche kennt und dokumentiert, macht aus struktureller Benachteiligung nicht plötzlich einen Vorteil – aber er reduziert den Schaden spürbar.