Wie das Bundessozialgericht in Kassel entschied, haben Trennungskinder künftig einen höheren Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen bei Hartz IV. Die Regelleistungen werden allerdings nicht angehoben, dennoch muss die besondere Wohn- und Lebenssituation der Kinder künftig stärker beachtet werden, so das Gericht.
Im konkreten Fall klagte eine alleinerziehende Mutter. Im jahre 2012 trennte sie sich von ihrem Ehemann. Die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder lebten fortan mit der Kindesmutter in einer eigenen Wohnung. Der Vater hat alle zwei Wochen am Wochenende sowie die hälftigen Ferien Umgang mit seinen Kindern.
Jobcenter kürzte Leistungen
Wegen einer „temporären Bedarfsgemeinschaft” überwies das Jobcenter dem Vater Teile des den Kindern zustehenden Sozialgelds. Anteilig nach Kalendertagen kürzten es entsprechend das Sozialgeld für den Aufenthalt bei der Mutter. In einem ferienfreien Monat machte dies für beide Kinder zusammen 125 Euro aus. Dagegen setzte sich die Mutter zur Wehr.
Die Kinder und ihre Mutter halten dies für ungerecht. Viele Kosten, etwa für Strom, Hausrat und Bekleidung, würden in der „Hauptbedarfsgemeinschaft” bei der Mutter auch dann anfallen, wenn die Kinder bei ihrem Vater sind.
In den ersten Instanzen Klage abgewiesen
In der Vorinstanz hatte auch das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen dieses Problem gesehen. Dennoch hatte es die Klagen abgewiesen; eine tageweise doppelte Zahlung des Sozialgelds für die Hauptbedarfsgemeinschaft bei der Mutter und die temporäre Bedarfsgemeinschaft beim Vater sehe das Gesetz nicht vor (Urteil Az.: L 7 AS 535/19).
Dies hat das BSG nun zwar bestätigt. Jedem Kind stehe Sozialgeld nur einmal zu. Abgerechnet werde anteilig nach Kalendertagen für jeweils den Elternteil, bei dem sich das Kind mehr als zwölf Stunden aufgehalten hat. Die entsprechenden Grundsätze hatte das BSG schon 2013 dargelegt (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 12. Juni 2013, Az.: B 14 AS 50/12).
BSG: Hartz IV-Mehrbedarfe denkbar
In ihrem neuen Urteil folgten die Kasseler Richter gleichzeitig aber auch den Argumenten der Mutter und ihrer Kinder. Die Kürzung der an die Mutter ausbezahlten Leistungen war danach wohl zu hoch. Denn durch das geteilte Umgangsrecht der Eltern entstehe den Kindern über das Sozialgeld hinaus ein Mehrbedarf, den das Jobcenter ebenfalls decken müsse.
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Das Bundessozialgericht (BSG) entschied jedoch anders. Zwar hätten das Sozialgericht und das Landessozialgericht (LSG) insoweit Recht, als dass Mutter und Vater sich den Regelbedarf für die Kinder untereinander teilen müssen. Eine Kürzung sei deshalb grundsätzlich zulässig gewesen.
Dennoch könnte es sein, dass der Klägerin ein Mehrbedarf wegen der von ihr geltend gemachten Fixkosten zusteht.
Höhe des Mehrbedarfs steht noch nicht fest
Zu dessen Höhe machte das BSG noch keine Angaben. Bislang ist solch ein Mehrbedarf beispielsweise für die Fahrtkosten zwischen den Eltern anerkannt. Nach dem neuen Urteil können Kinder zudem einen Mehrbedarf in den Bedarfsgemeinschaften selbst geltend machen, für Kosten hier bei der Mutter, die durch die Besuche beim Vater nicht entfallen.
Das BSG verwies den Streit an das LSG Essen zurück, das hierzu nun konkrete Feststellungen treffen und den Mehrbedarf berechnen muss. sb/mwo/fle
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