Hartz IV: Keine Pauschalisierung von Heizkosten

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Hartz IV: Eine Pauschalierung der Heizkosten ist im Leistungsrecht der Grundsicherung nach dem SGB II – nicht – zulässig , denn die am Einzelfall orientierte Angemessenheitsprüfung für die Heizkosten hat grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen.

Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Unzulässigkeit der Pauschalierung von Heizkosten – Angemessenheitsprüfung bzw -maßstab – Anwendung eines bundesweiten Heizspiegels – Warmwasserkosten – Heizkostenvorauszahlungen – Betriebskostenrückzahlungen – temporäre Bedarfsgemeinschaft -Übergangsfrist – Kostensenkungsverfahren .

Das Bundessozialgericht (BSG, AZ: B 14 AS 36/08 R) urteilte: Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind . Die Angemessenheit der Unterkunft iS dieser Vorschrift bestimmt sich nicht allein nach der Größe des Wohnraums. Die Größe des angemessenen Wohnraums, die grundsätzlich nach den landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen zu ermitteln ist, ist nur ein erster Schritt bei der Ermittlung der angemessenen Unterkunft. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, welchen Wohnstandard die Wohnung aufweist und in welcher Gegend sie liegt (zu den einzelnen Ermittlungsschritten zuletzt Urteil des Senats vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R; grundlegend bereits BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18 ff). Maßgebend ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG insoweit die sogenannte Produkttheorie, die im Wesentlichen darauf abstellt, ob der von der Bedarfsgemeinschaft zu entrichtende Mietpreis sich im Rahmen des Angemessenen hält.

Diese Kosten der Heizung sind – ebenso wie die Kosten der Unterkunft – in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit sie angemessen sind. Bei der Angemessenheitsprüfung ist ein konkret-individueller Maßstab anzulegen. Die Angemessenheitsprüfung hat dabei getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen . Die tatsächlich anfallenden Kosten sind als angemessen anzusehen, soweit sie nicht einen Grenzwert überschreiten, der unangemessenes Heizen indiziert .

Zu den tatsächlichen Aufwendungen für die Heizung iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Mietwohnungen gehören bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung (vgl § 556 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB> iVm § 2 Nr 4 Betriebskostenverordnung) die gegenüber dem Vermieter geschuldeten, in monatlichen Abschlägen zu zahlenden Heizkostenvorauszahlungen. Sie sind entsprechend ihrem Fälligkeitstermin im betreffenden Monat zu berücksichtigen. Soweit sich in Folgezeiträumen Betriebskostenrückzahlungen ergeben, mindern diese nicht die Aufwendungen in den vorangehenden Zeiträumen (vgl BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 9 Nr 5, jeweils RdNr 37 sowie die zum 1. August 2006 in Kraft getretene ausdrückliche gesetzliche Bestimmung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II). Kommt es nach Abrechnung der tatsächlich verbrauchten Wärme dagegen zu Nachzahlungsverlangen des Vermieters, gehören solche einmalig geschuldeten Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (entsprechend bereits für die einmalige Beschaffung von Heizmaterial BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9 mwN).

Leistungen für Heizung werden in Höhe der tatsächlich angefallenen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Die in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgesehene, am Einzelfall orientierte Angemessenheitsprüfung für die Heizkosten hat grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen. Dafür sprechen schon Wortlaut und Systematik des § 22 Abs 1 SGB II, der ausdrücklich zwischen Unterkunft und Heizung unterscheidet. Zudem sollten der Gesetzesbegründung zufolge die Kosten für Unterkunft und Heizung "wie in der Sozialhilfe" in tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigt werden (BT-Drucks 15/1516 S 57), insoweit also an die Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) angeknüpft werden. § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Regelsatzverordnung – RegSatzV) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1088) unterscheidet aber noch deutlicher als § 22 Abs 1 SGB II zwischen den in § 3 Abs 1 RegSatzV geregelten laufenden Unterkunftskosten und den in § 3 Abs 2 RegSatzV geregelten laufenden Leistungen für die Heizung (vgl zur Rechtslage nach dem BSHG im Einzelnen Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 12 RdNr 35 ff; Mergler in ders/Zink, BSHG, Stand: November 1993, § 12 RdNr 31 ff; Wenzel in Fichtner, BSHG, 2. Aufl 2003, § 12 RdNr 30 ff). Auch die Entstehungsgeschichte spricht damit für eine getrennte Angemessenheitsprüfung als gesetzgeberisches Grundkonzept.

Die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunfts- und Heizkosten im Sinne einer sog erweiterten Produkttheorie (dazu Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 46d; Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, DSGT Praktikerleitfaden, 2009, S 26; Gühlstorf, ZfF 2007, 73, 74 f; vgl aus der Praxis zuletzt etwa die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin vom 10. Februar 2009) würde demgegenüber die Festlegung eines als abstrakt angemessen anzusehenden Heizkostenpreises pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung (gestaffelt nach abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen) im unteren Segment des Wohnungsmarktes erfordern. Es ist nicht erkennbar, wie ein solcher abstrakter Wert als notwendiger Faktor für eine als abstrakt angemessen anzusehende Bruttowarmmiete von den Trägern der Grundsicherung und der Rechtsprechung verlässlich ermittelt werden könnte. Es müssten in einen solchen Wert neben dem als angemessen anzusehenden Heizverhalten des Einzelnen etwa auch klimatische Bedingungen, ständig wechselnde Energiepreise, der Energieträger, vor allem aber auch der im entsprechenden Mietsegment "typische" Gebäudestandard und der technische Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage einfließen. Datenmaterial, das eine allgemeingültige Aussage bezogen auf Heizkosten in dem in Betracht zu ziehenden Marktsegment der "einfachen" Wohnungen zulässt, liegt nicht vor. Ermittlungsmöglichkeiten hierzu sind nicht ersichtlich. Ein Rückgriff auf einen weniger ausdifferenzierten Wert (etwa auf Durchschnittswerte aller Verbraucher bezogen auf den jeweiligen örtlichen Bereich oder das Bundesgebiet) würde demgegenüber eine Pauschalierung von Kosten der Heizung bedeuten, die nach dem Konzept des SGB II dem Verordnungsgeber vorbehalten ist (vgl § 27 Nr 1 SGB II).

Das LSG wird bei der erneuten Entscheidung also grundsätzlich die tatsächlichen Heizkosten der Kläger als angemessen zu Grunde zu legen haben. Soweit die Beklagte die Heizkostenvorauszahlungen der Kläger nur in dem Verhältnis als angemessen anerkannt hat, in dem die abstrakt angemessene Wohnungsfläche zur tatsächlichen Wohnungsfläche steht (also nach dem sog "Flächenüberhangprinzip"), ist dies mit der Funktion der Angemessenheitsgrenze, lediglich die Übernahme unverhältnismäßig hoher Heizkosten auszuschließen, nicht zu vereinbaren. Aus der Größe der Wohnung alleine lässt sich nicht der Schluss ziehen, für die Wohnung aufgewandte Heizkosten seien unangemessen hoch. Dem Hilfebedürftigen ist es grundsätzlich möglich, eine Wohnung, die – wie im vorliegenden Fall – trotz ihrer Größe von 100 m⊃2; auf Grund eines niedrigen Quadratmeterpreises angemessene Kosten der Unterkunft nach sich zieht, etwa durch sparsames Heizverhalten oder auf Grund der überdurchschnittlichen Energieeffizienz der Wohnung auch zu angemessenen Kosten zu beheizen. Deshalb kommt es für die Angemessenheitsprüfung hinsichtlich der Heizkosten nicht darauf an, ob bezogen auf die konkret vom Hilfebedürftigen bewohnte Wohnung einzelne, für die Bestimmung angemessener Unterkunftskosten relevante Faktoren wie die Wohnungsgröße abstrakt unangemessen hoch sind. Letztlich spielt es für die Höhe der Heizkosten hier mithin keine Rolle, dass die Wohnung der Kläger "eigentlich" nur eine Größe von 85 m⊃2; hätte haben dürfen. Dieser Wert aus der Angemessenheitsprüfung der Unterkunftskosten rechtfertigt jedenfalls keine anteilige Kürzung der tatsächlichen Heizkosten.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Heizkosten in jedem Falle und in jeder Höhe zu übernehmen sind. Insofern stehen auch die Heizkosten gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II unter dem Leistungsvorbehalt der "Angemessenheit". Eklatant kostspieliges oder unwirtschaftliches Heizen ist auch vom Grundsicherungsträger nicht zu finanzieren. Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkosten unangemessen hoch sind, können sich insbesondere daraus ergeben, dass die tatsächlich anfallenden Kosten die durchschnittlich aufgewandten Kosten aller Verbraucher für eine Wohnung der den abstrakten Angemessenheitskriterien entsprechenden Größe signifikant überschreiten. Zur Bestimmung eines solchen Grenzwertes hält es der Senat für den Regelfall einer mit Öl, Erdgas oder Fernwärme beheizten Wohnung für möglich, die von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegel" bzw – soweit diese für das Gebiet des jeweiligen Trägers fehlen – den "Bundesweiten Heizspiegel" heranzuziehen (so auch Gerenkamp in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand: Juli 2008, § 22 SGB II RdNr 19).

Aus dem "Bundesweiten Heizspiegel", der auf bundesweit erhobenen Heizdaten von rund 63.000 zentral beheizten Wohngebäuden basiert, was hinreichend repräsentativ erscheint und der seit 2005 jährlich veröffentlicht wird (vgl http://www.heizspiegel.de; wegen dem Heizspiegel für vergangene Jahre vgl die Datenbank unter http://www.mieterbund.de/ ), ergeben sich Vergleichswerte für öl-, erdgas- und fernwärmebeheizte Wohnungen gestaffelt nach der von der jeweiligen Heizungsanlage zu beheizenden Wohnfläche, die hinsichtlich des Heizenergieverbrauchs zwischen "optimal", "durchschnittlich", "erhöht" und "extrem hoch" unterscheiden. Der Grenzwert, den der Senat zu Grunde legt, ist das Produkt aus dem Wert, der auf "extrem hohe" Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet (rechte Spalte), und dem Wert, der sich für den Haushalt des Hilfebedürftigen als abstrakt angemessene Wohnfläche nach den Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 Abs 1 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) bzw § 5 Abs 2 Wohnungsbindungsgesetz aF (WoBindG) ergibt. Insofern wird der Wert für extrem hohe Heizkosten nur bezogen auf die angemessene Quadratmeterzahl zu Grunde gelegt, was bereits ein Korrektiv hinsichtlich der Höhe der Heizkosten darstellt, zugleich aber auch die Vergleichbarkeit der Heizkosten mit denen einer typischerweise angemessenen Wohnung ermöglicht. Der Grundsicherungsempfänger kann also im Regelfall die tatsächlichen Heizkosten nur bis zur Obergrenze aus dem Produkt des Wertes für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in Quadratmetern) geltend machen. Dabei ist den Kommunalen Heizspiegeln, die für Städte mit mehr als 50.000 Einwohner erstellt werden können – und die in Zusammenarbeit mit den Städten auf der Grundlage der dort vorhandenen Datenbanken erarbeitet werden -, wegen der ortsbezogenen Datenauswertung der Vorzug zu geben. Ist ein solcher kommunaler Heizspiegel nicht vorhanden, so kann auf den "Bundesweiten Heizspiegel" zurückgegriffen werden.

Soweit die konkret geltend gemachten tatsächlichen Heizkosten den auf dieser Datengrundlage zu ermittelnden Grenzwert überschreiten, besteht Anlass für die Annahme, dass diese Kosten auch unangemessen hoch iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind. Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass die vom Senat gewählte Grenze bereits unwirtschaftliches und tendentiell unökologisches Heizverhalten berücksichtigt. Darüber hinausgehende Heizkosten entstehen dann offensichtlich aus einem Verbrauch, der dem allgemeinen Heizverhalten in der Bevölkerung nicht mehr entspricht. Ein Grenzwert auf Grundlage der ungünstigsten Verbrauchskategorie trägt dabei dem Gesichtspunkt Rechnung, dass die im Einzelfall entstehenden Heizkosten von Faktoren abhängen, die dem Einfluss des Hilfesuchenden weitgehend entzogen sind Empfänger von Arbeitslosengeld II, deren angemessene Aufwendungen für die Unterkunft sich an Wohnungen des unteren Marktsegments orientieren, dürften dabei typischerweise auf älteren Wohnraum mit einem unterdurchschnittlichen Energiestandard verwiesen werden. Soweit jedoch der genannte Grenzwert erreicht ist, sind auch von einem Hilfebedürftigen Maßnahmen zu erwarten, die zur Senkung der Heizkosten führen. Es obliegt in solchen Fällen dann dem Hilfesuchenden, konkret vorzubringen, warum seine Aufwendungen für die Heizung über dem Grenzwert liegen, im jeweiligen Einzelfall aber gleichwohl noch als angemessen anzusehen sind.

Das LSG wird, wenn die Angemessenheitsprüfung der Heizkosten dazu führen würde, dass insofern noch ein "ungedeckter Rest" an Kosten der Unterkunft verbleibt, dem Vortrag der Kläger nachzugehen haben, dass sich der Wohnbedarf deshalb erhöht, weil ein weiteres Kind der Familie diese regelmäßig besucht. Insofern könnte für die Zeiträume des Besuchs durch das offenbar psychisch gestörte Kind der Klägerin zu 1 eine sog temporäre Bedarfsgemeinschaft bestehen (vgl hierzu Urteil des Senats vom 2. Juli 2009 – B 14 AS 75/08 R). Allerdings ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt, ob und in welchem Umfang eine sog temporäre Bedarfsgemeinschaft auch im Bereich der Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen wäre. Insofern ist das Vorbringen des Beklagten nicht von der Hand zu weisen, dass genau zu belegen wäre, inwieweit durch die Besuche des Kindes höhere Heizkosten entstehen.

Den Klägern steht nicht bereits auf Grund der Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II (heute § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II) für einen Übergangszeitraum von sechs Monaten der Anspruch auf Kosten der Unterkunft in der bisher bewilligten Höhe zu (vgl zur Übertragung der sechsmonatigen Übergangsfrist auf die Heizkosten Urteil des Senats vom 19. September 2008 – B 14 AS 54/07 R – RdNr 21 ff). Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 25. Mai 2005 einen Hinweis darauf gegeben, dass sie die Heizkosten der Kläger für unangemessen hoch hält. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt diesem Hinweis bzw der Kostensenkungsaufforderung le