Hartz IV: Jobcenter dürfen Hausverkauf verlangen

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Ein einmal angemessenes Eigenheim für eine achtköpfige Familie kann nach dem Auszug der Kinder unangemessen groß sein und dem Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) entgegenstehen.

Ist das Eigenheim oder die Eigentumswohnung nicht angemessen, kann das Jobcenter letztlich den Verkauf der Immobilie als zu verwertendes Vermögen verlangen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Donnerstag, 2. Juni 2022, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvL 12/20). Dass sich die Angemessenheit eines Eigenheims nach der aktuellen Zahl der Bewohner richtet, sei „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen darf das Jobcenter „ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung“ nicht als zu verkaufendes Vermögen berücksichtigen. Die angemessene Größe eines Hausgrundstücks richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dabei immer nach der aktuellen Bewohnerzahl.

So hatte das BSG hierzu bereits am 12. Oktober 2018 geurteilt, dass bei einem späteren Auszug der Kinder aus dem Eigenheim, die Unterkunft für die verbliebenen Hilfebedürftigen zu groß und nicht mehr angemessen sein kann (Az.: B 4 AS 4/16 R; vom Urteilstag). In diesem Fall kann – so das BSG – das Jobcenter letztlich den Verkauf der Immobilie verlangen, damit von dem Erlös das Existenzminimum gesichert werde.

Jobcenter verlangte nach Auszug der Kinder Eigenheimverkauf

Im konkreten Fall war ein Ehepaar mit sechs Kindern 1997 in das selbst erbaute Eigenheim gezogen. Das Haus hatte eine Wohnfläche von 143,69 Quadratmetern. Das letzte Kind zog dann im April 2013 aus.

Nachdem der Ehemann, Eigentümer der Immobilie, mittlerweile eine Altersrente bezog, beantragte seine Frau 2018 beim Jobcenter wegen knapper finanzieller Mittel Hartz-IV-Leistungen.

Doch die Behörde lehnte ab. Zu zweit sei das Haus viel zu groß und damit unangemessen. Das Haus stelle zu verwertendes Vermögen dar. Angemessenen seien bei einem Zwei-Personen-Haushalt 90 Quadratmeter.

Nur ein „selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung“ dürfe nicht als zu verwertendes Vermögen herangezogen werden, so das Jobcenter mit Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen. Hier sei das Haus nicht mehr angemessen, so dass es kein Schonvermögen darstelle.

Die Frau zog daraufhin vor Gericht. Das Haus sei nicht verwertbar. Es sei für eine Familie mit sechs Kindern konzipiert worden. Wenn sie es jetzt verwerten müsse, werde sie benachteiligt, weil sie früher Kinder erzogen habe.

Das Sozialgericht Aurich hielt die gesetzlichen Bestimmungen für verfassungswidrig und legte das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Eltern würden bei der Anrechnung ihres Eigenheims als Vermögen in ihrer aktuellen Lebenssituation schlechter gestellt, weil sie in einer vorangegangenen Lebensphase Kinder betreut hätten. Dies stelle eine Diskriminierung gegenüber Kinderlosen dar.

Bundesverfassungsgericht: zu großes Haus ist verwertbares Vermögen

Die Karlsruher Verfassungsrichter hatten jedoch gegen die gesetzlichen Bestimmungen keine Bedenken. Im System der Grundsicherung würden staatliche Leistungen „nachrangig“ gewährt. Der Gesetzgeber habe bei der Gewährung von Sozialleistungen wegen Bedürftigkeit auch einen weiten Gestaltungsspielraum.

Nach dem Grundgesetz dürften „soziale Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz nur dann zur Verfügung“ gestellt werden, „wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können“.

Es sei daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn bei der Frage der angemessenen Größe von Wohnraum auf die aktuelle Bewohnerzahl abgestellt werde und nicht auf den früheren Unterkunftsbedarf, als noch die Kinder im Haus gelebt haben, heißt es im Beschluss vom 28. April 2022.

Verkauf des Hauses sei zumutbar

Mangels Bedürftigkeit sei der Verkauf der Immobilie zur Existenzsicherung zumutbar. „Denn auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen aktuell Bedürftigkeit vorliegt“, so die Verfassungsrichter. fle/mwo/fle