Wie Bild, RTL und Focus Fakenews mit Hartz IV Spartipps verbreiten

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Wรคhrend in dem sozialen Netzwerk Twitter Menschen unter dem Hashtag “IchBinArmutsbetroffen” auf ihre prekรคre Situation aufmerksam machen, wollen Nicht-Betroffene Hartz IV Beziehenden immer wieder vorrechnen, wie man trotz Armut mit dem Hartz IV Regelsatz obendrein sparen kรถnne. Diesen Hohn greifen auch Medien wie Focus, RTL und BILD auf. Im Ergebnis sind das aber sehr wahrscheinlich Fakenews.

Wenn Medien erklรคren, Hartz IV sei รผberhaupt nicht schlimm

Unter dem Hashtag “#ichbinArmutsbetroffen” berichten Armutsbetroffene รผber ihren Altag und ihre Nรถte. Bis auf ein paar wenige Berichte in den Medien hรคlt sich die mediale Begleitung allerdings in Grenzen. Ganz “zufรคllig” greifen allerdings Medien wie Bild, RTL und Focus das Thema auf ihre ganz eigene Art und Weise auf.

Immer wenn es nรคmlich darum geht, aufzuzeigen, dass Hartz IV garnicht mal so schlimm und der Regelsatz bei Hartz IV sogar “zu hoch” sei, wird Sven W. wie zum Beispiel in dem RTL-Artikel: โ€ž446 Euro im Monat sind viel zu viel!” interviewt.

Sven W. taucht regelmรครŸig immer dann auf, wenn Springer, Focus und Co. mal wieder Kampagnen gegen Hartz IV Beziehende und die Diskussion um mรถgliche Unterdeckungen bei den Leistungen fahren.

W. kommt ursprรผnglich aus der Versicherungsbranche und vermรถgend. Weil er aber schwer krank wurde, musste auch er irgendwann Hartz IV beantragen. So weit eine Lebensgeschichte, wie sie Tausendfach in Deutschland passiert.

Spartipps sollen aufzeigen, Hartz IV sei sogar zu hoch

In den Interiews zรคhlt W. รผberall auf, wo und wie er รผberall spart. So berichtet er, dass er nur 2 mal in der Woche duscht. Wenn er sich ein Ei kocht, dann kocht er es nur 3 Minuten.

Und er fรผhrt ein Haushaltsbuch. Allerdings fรคllt bei vielen seiner Spartipps auf, dass er diese nur anwenden kann, weil er vor Hartz IV einmal mehr Geld zur Verfรผgung hatte, als heute. Zum Beispiel besitzt W. stromsparende Gerรคte oder Induktionstรถpfe, die man sich von den Regelleistungen meist nicht kaufen kann.

Und am Ende berichtet W. sogar, dass er sich fรผr 40 Euro einen Billardclub leisten kรถnne und sogar noch 100 Euro spare. Daher schlieรŸe er daraus: โ€žDeswegen sage ich ja: HartzIV ist eigentlich zu hoch.โ€œ

Ungereimtheiten beim Vorrechnen

Die Ausgaben von W. kรถnnen aber so nicht stimmen. Sie รผbersteigen den derzeitigen Regelsatz von 449 Euro, wie der Twitter-User “Kopperschlaeger” aus den verschiedenen Beitrรคgen in Bild, Focus und RTL ermittelte.

Offenbar gibt er nรคmlich 37 Euro monatlich mehr aus, als er eigentlich kรถnnte. Wรคren die Redakteure dieser drei Medien einmal ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nachgekommen, hรคtte ihnen diese Ungereimtheit sicher auffallen mรผssen.

Alles fรผr viele Klicks?

Entweder haben die Journalisten nicht nachgerechnet oder sie drรผckten quasi aufgrund einer provokanten Headline beide Augen zu, um genรผgend Klicks zu generieren.

Der User @kopperschlaeger hat รผbrigens nach eigenen Angaben den Focus auf diesen Fehler mehrfach hingewiesen, allerdings nie einen Antwort erhalten.

Sollen Hartz IV Beziehende frieren?

Fraglich bleiben auch die Angaben zum Thema Energie. 15 Euro Ausgaben fรผr Gas und 36 Euro fรผr Strom. Zwar kann man tatsรคchlich bei Strom und Gas bei grรถรŸter Sparsamkeit viel Geld sparen, doch selbst wer die grรถรŸte Disziplin an den Tag legt, wird nie auf solche Werte kommen.

Entweder friert W. tatsรคchlich jeden Winter oder die Zahlen stimmen einfach nicht. Trifft ersteres zu, wรคre es nicht zu erwarten, dass Hartz IV Beziehende generell frieren mรผssen, damit der Regelsatz irgendwie ausreiche.

Fazit: sehr wahrscheinlich Fakenews

Fazit ist, dass diese Artikel unserer Auffassung nach hรถchstwahrscheinlich Fakenews sind, die dazu dienen, die Diskussion รผber zu geringe Regelleistungen zu torpedieren.

Zum anderen bedienen diese Artikel ein ganz bestimmtes Publikum, die der Auffassung sind, Hartz IV Beziehende wรผrden nur nicht mit Geld umgehen kรถnnen und mรผssten nur sparen, um gut leben zu kรถnnen. Zudem werden die immer gleichen Stereotypen bedient, die Armutsbetroffene als faul und ungebildet darstellen.