Urteil kassierte Weisung der BA – Anwaltsrecht wurde ausgehöhlt
Hartz IV Beziehende haben es schwer, einen Anwalt zu finden. Ein gewichtiger Grund war, dass die Bundesagentur eine Weisung heraus gab, die die Jobcenter dazu anhielt, Aufrechnungen zu prüfen. Das Bundessozialgericht machte in gleich 3 Verfahren damit Schluss.
Immer weniger Anwälte wollen Hartz IV Beziehende vertreten
Immer weniger Anwälte wollen Hartz IV Beziehende vertreten. Zum einen scheinen Verfahren im Bereich des SGB II weniger lukrativ und zum anderen machte eine Verwaltungsweisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) es den Anwälten schwer, die Kosten des Verfahrens einzufordern. Oft sind es die engagierten Anwälte, die aus eigener Überzeugung dennoch Hartz IV Beziehende vertreten. Allerdings ist deren Zahl überschaubar und nicht ausreichend.
Weisung versus Gesetz
Denn im Grundsatz haben alle Hartz IV Beziehende einen gesetzlichen Anspruch auf einen Anwalt, auch wenn sie sich diesen nicht leisten können. Müssen sie gegen einen Hartz IV Bescheid in Widerspruch gehen oder gar eine Klage anstrengen, greift der § 63 SGB X. Bei Erfolg muss das Jobcenter dann die Anwaltskosten tragen. So weit die Theorie und Gesetzeslage.
Die BA hatte allerdings mit einer Weisung den Anspruch auf einen Anwalt faktisch verhindert bzw. erschwert. Zwar billigt auch die BA Hartz IV Beziehenden einen Anwalt zu, allerdings sollten die Jobcenter, bevor sie zahlen prüfen, ob eine Aufrechnung in Betracht kommt. Forderungen gegenüber dem Jobcenter des Leistungsbeziehers wurden bislang gegenüber der Forderung der Anwaltskosten miteinander aufgerechnet. Das hatten zur Folge, dass die Kläger auf den Kosten sitzen blieben und die Anwälte leer ausgingen.
Immer weniger Anwälte waren nunmehr nicht mehr bereit, Hartz IV Beziehende zu vertreten, da sie davon ausgehen mussten, dass sie am Ende die Anwaltskosten nicht erstatten bekommen.
Bundessozialgericht kassierte Weisung
Im ersten Fall hatten eine Mutter und ihre minderjährigen Kinder mit Hilfe einer Anwältin erfolgreich Widerspruch gegen einen Hartz-IV-Bescheid eingelegt. Auch das Berliner Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg erkannte die Hinzuziehung der Anwältin als „notwendig” an. Allerdings hatte die Behörde noch Forderungen gegenüber der Mutter und ihre Kinder.
Die Behörde rechnete diese mit den Anwaltskosten auf. Statt 595 Euro erhielt die Anwältin damit nur noch 82,78 Euro ausgezahlt. Den Rest hätte sich die Anwältin von der Hartz-IV-Bezieherin holen müssen.
Doch solch eine Aufrechnung ist nicht erlaubt, urteilte das BSG in den verhandelten drei Fällen. Das Sozialgesetzbuch X schreibe ein Aufrechnungsverbot vor, so der 14. BSG-Senat. Jobcenter dürften Forderungen nicht mit Zahlungen an einen für ein Widerspruchsverfahren beauftragten notwendigen Anwalt aufrechnen.
Weisung verhinderte Rechtsschutzgleichheit
Dies gebiete die „Rechtsschutzgleichheit” von „Unbemittelten und Bemittelten”. Könnten sich Anwälte nicht sicher sein, ob sie ihre Vergütung erhalten, bestehe die Gefahr, dass sie Mandate von Hartz-IV-Beziehern gar nicht mehr annehmen. Den Klägern stehe daher die volle Auszahlung ihrer Anwaltsvergütung zu.
Das Urteil hat weitreichende Folgen. Denn allein 2019 verschickten die Leistungsträger rund 1,5 Millionen Erstattungsbescheide. 23 Prozent aller Leustungsberechtigten waren faktisch von dem Problem der Aufrechnungen betroffen.
BA will neue Weisung auf den Weg bringen
“Wenn ein Leistungsberechtigter nach dem SGB II im Widerspruchsverfahren gewinnt, muss das Jobcenter die ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten übernehmen. Dieser Anspruch darf nicht dadurch entwertet werden, dass das Jobcenter mit Gegenansprüchen aufrechnet”, sagte ein BSG-Sprecher nach dem Urteil. Die BA will nun eine neue Verwaltungsanweisung erlassen, um dem Urteil Rechnung zu tragen. Aktenzeichen: B 14 AS 17/19 R, Az.: B 14 AS 4/19 R, Az.: B 14 AS 3/19 R sb/fle/mwo
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